Freiheit des Einzeln ist immer die Freiheit der anderen

Freiheit des Einzeln ist immer die Freiheit der anderen

Ein immer wieder gerne gesehener Gast in Herborn ist der wortgewandte und scharfsinnige Kabarettist, Autor und Moderator Christoph Sieber. Auf der „KulturzAUber“-Bühne der „KulturScheune“ (KuSch) setzte er sich mit seinem aktuellen Programm „Weitermachen“ mit dem aktuellen Zeitgeschehen auseinander.

Allen momentanen Weltuntergangsszenarien zum Trotz erliegt Sieber nicht den Kassandrarufen, sondern rückte dem Herborner Publikum mit Humor und Chuzpe, den gesellschaftlichen Irrrungen und Wirrungen zu Leibe. Sein Appell: Weitermachen und für einen Weltaufgang plädieren! Das Leben sei zu ernst, um nicht darüber zu lachen. Christoph Sieber macht’s möglich. Getreu dem Motto: Man muss lachen, damit es einem im Halse stecken bleiben kann.

Die Welt sei in einem traurigen Zustand, sagte der Kabarettist. Dem Führungspersonal in Politik und Gesellschaft sei der gesunde Menschenverstand abhandengekommen. „Der Rambo Zambo aus dem Sauerland wird mit dem gelben Sack abgeholt. Julia Klöckner befindet, dass die Politik Vertrauen zurückgewinne muss. Und warum tritt sie nicht zurück?“, meinte der quirlige, Mann, der weiß, dass sich allein durch Mehrarbeit nichts zum Bessern wendet. Die Wehrpflicht sieht er problematisch, sofern die Frage nicht gelöst ist, ob man seinen Dienst nicht auch im Homeoffice erledigen kann.

Der Verstand, der Streubomben und den Winterfahrplan erfunden hat, komme immer den anderen abhanden, meinte Sieber. Doch selbst erkenne man nicht, dass das eigene Hirn eigentlich eine arme Sau ist, die zwar zur Klugheit fähig ist, aber ohne Empathie wenig Gutes hervorbringt. Und fürs praktische Leben vertraue man der KI, die sogar einen Toaster intelligenter als den Menschen werden lasse.

Christoph Sieber geißelte in Herborn mit wütendem Sarkasmus den Rückfall der Gesellschaft ins Mittelalter: „Gräben werden in die Gesellschaft gerissen, die vorher nicht da waren. Ein falscher Satz und du bist erledigt“. Mit Versen und Liedern zur Gitarre reimte er „Stell die vor, wir müssten uns wieder auf uns selbst verlassen“ oder er sang über das Los eines Fahrradkuriers: „Die Welt ist eine Scheibenbremse.“

Von der kleinen Welt des Bäckers Häberle, für den der Teig der Kitt ist, der die Gemeinschaft zusammenhält, kam Sieber zur Welt der Reiche und Mächtigen. Sie trage, wie er meinte, nichts zum Zusammenhalt der Menschen bei. Das erledigten Pflegekräfte, die täglich mit menschlichen Katastrophenfällen zu tun hätten. Ihnen stünden Tätigkeiten wie die von Unternehmensberatern gegenüber. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Messias komme, sei größer, als dass ein Handwerker vor der Tür stehe.

In der Welt der Untergangsszenarien, aber auch der Hoffnung, komme die Lüge nicht zu kurz. „Was wird heute nicht alles gelogen! Ein Miteinander ist ohne die Lüge nicht denkbar. Keiner ist im Besitz der absolute Wahrheit“, sagte Christoph Sieber Für ihn sei die AfD nur stark, weil die demokratischen Parteien die Demokratie verschleuderten.

Dann meinte der Kabarettist: „Ein Faschist, der demokratisch gewählt ist, wird dadurch nicht zum Demokraten. Der Kampf für die Freiheit des Einzelnen ist auch immer die Freiheit der anderen. Die Menschen wollen ein Leben haben, mit dem sie leben können, und das ohne Angst und Schrecken erfahren zu müssen.“

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher