Szenen einer (besonderen) Ehe

Szenen einer (besonderen) Ehe
Der Klassiker „Alte Liebe“ von Elke Heidenreich und Bernd Schröder hat es auf die Bühne beim „KulturzAUber“ der KuSch in Herborn geschafft.
Die tropische Hitze, die  auf dem Gelände herrschte, schien die Interpretation des Romans „Alte Liebe“ von Elke Heidenreich und Bernd Schröder durch Mariele Millowitsch und Walter Sittler noch zu befeuern. Und auch die zahlreich erschienenen Literaturfreunde fieberten der unmittelbaren Präsenz der Schauspieler entgegen, die – wenn auch an zwei voneinander getrennten Tischen sitzend – mit umwerfenden Dialogen und viel Ironie der Geschichte einer in die Jahre gekommenen Liebe Tempo und Witz verliehen. „Was haben wir bloß falsch gemacht mit unserem Kind“, fragt Lore ihren Harry, angesichts der Heirat ihrer Tochter Gloria mit einem reichen Mann aus einer angesehenen, aber langweiligen und stockkonservativen Unternehmerfamilie. Über die Frage, ob sie zur Hochzeit fahren sollen, unterziehen sie zugleich ihre eigene Beziehung einer Revision. Schließlich sind 40 Ehejahre nicht spurlos an den beiden vorübergegangen.
Harrys große Liebe, der inzwischen Pensionär ist, gilt längst seinem Garten und immer mal wieder einem schönen kühlen Weizenbier. Lore ist nach wie vor als Bibliothekarin tätig und gefällt sich seit vielen Jahren darin, Lesungen und Veranstaltungen mit berühmten Schriftstellern zu organisieren, und ist stolz darauf, sie alle persönlich zu kennen: „Ich lieb nun mal die Autoren. Mein Mann ist mit weniger Kultur zufrieden.“ „Das Altwerden ist ein Massaker“, erklärt Lore, die sich fragt, was das Leben noch für einen Sinn hat, wenn sie nur noch mit Harry untätig im Garten sitzt. Die in zahlreich TV-Serien zu sehende Mariele Millowitsch, Tochter von Willy Millowitsch, sowie der auf der Theaterbühne und vor der Kamera nicht minder erfolgreiche Walter Sittler, sind das ideale Paar, um dem Roman „Alte Liebe“ Spannung, Witz und Tempo zu verleihen. Man liest nicht nur die Geschichte, sondern lebt die Erfahrung, sich selbst in einem gelebten Leben und in einer Zeit, die an ihnen vorbeizieht, mit großer Spielfreude aus.
Sie sind nur noch Lore und Harry, die sich einen Moment lang neu erkennen und begegnen. Und wenn Lore fragt: „Ist es schon ein Glück an sich, wenn es einfach nur hält?“, und hinzufügt: „Ich glaube, ich liebe Dich immer noch“, entgegnet Harry: „Sag mir Bescheid, wenn Du es genau weißt.“
Das Publikum weiß sich in Seelenverwandtschaft mit den Gedanken von Lore und Harry, die von Mariele Millowitsch und Walter Sittler in Monologen und köstlich realen Dialogen dargeboten werden.
Elke Heidenreich und Bernd Schröder liefern den Akteuren auf der „KulturzAUber“-Bühne die Vorlage – bis zum unerwarteten Tod von Lore – für immer wieder berührende und komische Szenen einer Ehe. Fast könnte man meinen, sie hätten ihre Geschichte Mariele Millowitsch und Walter Sittler auf den Leib geschrieben.
Der Abschied von Sehnsüchten und Träumen, der in einer Renaissance der Wiederentdeckung verloren gegangener Leidenschaft und Liebe mündet, machte diese Lesung zu einer wunderbaren Erfahrung, verbunden mit der selbstkritischen Erkenntnis, dass man mit der Wiederentdeckung seiner „Alten Liebe“ nicht länger warten sollte.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher