Berührendes musikalisches Heimspiel

Berührendes musikalisches Heimspiel

Eine wunderschöne Sommernacht und eine mit ihr älter gewordene Fangemeinde, mit der sie sich in perfekter Harmonie verbunden wusste: Besser konnte es für Jördis Tielsch, die mit ihrer neuen, jungen Band auf der „KulturzAUber“-Bühne in Herborn zu Gast war, nicht laufen. „Ein Moment, auf den wir lange hingearbeitet haben“, sagte die Musikerin und Sängerin, die ihren inzwischen 13. Auftritt in beziehungsweise an der KulturScheune mit ganz besonderer Hingabe zelebrierte.

Man muss in der deutschen Popmusik-Szene lange suchen, um eine so komplette Künstlerin zu finden, die sowohl als Sängerin, Multi-Instrumentalistin wie auch als Komponistin und Arrangeurin einfach alles richtig macht.

Unterstützt von Gitarrist Adrian Thessenvitz, Schlagzeuger Bastian Hildebrandt und Bassist Korbinian Kugler, die sich mit instrumentaler Brillanz ganz in den Dienst ihrer Frontfrau stellten, bekamen die mehrheitlich schon etwas in die Jahre gekommenen Zuhörer von der Sinnerin ein Repertoire geboten, das von Irish-Folk bis zu Deutsch-Pop auf ein Höchstmaß an Eingängigkeit und Gefühlsseligkeit abgestimmt war.

„Alles ist so ungewohnt und doch so schön“, sagte Tielsch, die bereits mit ihrem Eröffnungslied „Embrace Your Fears“ für Augenblicke der Unendlichkeit sorgte: „Gib mir irgendwas, was bleibt, einen Augenblick Unendlichkeit.“

Auf der Klaviatur ihrer Stimme vermag sie von sanft gehaucht bis kraftvoll markant ebenso gut zu agieren wie an den Keyboards oder auf der Gitarre, Viola und Violine. Mit Kopf, Herz und Seele schreibt die jetzt 26-jährige Künstlerin ihre Lieder, in denen sie ihre persönlichen Erlebnisse und ihre Erwartungen manifestiert.

Das Leben und immer wieder die Freuden der Liebe, aber auch das Leiden an ihr, stehen bei Jördis Tielsch im Fokus. „Waiting For“ erzählt von ihrem Wunsch, Dinge, die man unbedingt machen möchte, jetzt in die Hand zu nehmen. In „Schneekugelsturm“ sehnt sie sich nach der wärmenden Einsamkeit zu zweit, und in „Home“ besingt sie das Heimweh, das sie überkommt, wenn sie – wie zuletzt in Irland – für längere Zeit fern von ihrer Heimat weilt. Dafür hat sie irisches Liedgut mitgebracht, das sie in Klassikern wie „Go Lassie Go“, „Red Is The Rose“ und „Ashokan & Toss The Feather“ abfeiert.

Man schmilzt beim Klang ihrer Geige förmlich dahin, genießt zu „Coastline“ – ein Song der australischen Band „Hollow Coves“ – gedanklich einen Sommerabend am Meer und reißt mit ihr trennende Wände ein („When The Walls Come Down“). Ob auf Deutsch oder Englisch, man versteht Jördis Tielsch, fühlt mit ihr, wenn sie in „Goodbye“ das Ende einer Liebe besingt oder in „Catch Me If You Can“ das Liebesglück zelebriert.

Eine Lanze für einen sorgsameren Umgang mit der Natur bricht sie in „The River“, und in ihrem schmachtenden Country- und Western-Song „Call Out The Sun“ reitet sie mit Kevin Costner über die Prärie.

Nur mit sich allein auf der Bühne, im Duett mit Gitarrist Adrian Thessenvitz oder mit der wie aus einem Guss agierenden Band reiht sich bei ihr Ohrwurm an Ohrwurm. Das Publikum singt die Refrains mit, lässt sich von hymnischen Balladen wie „Wenn du mich suchst“ und dem finalen Torch-Song „Guiding Light“ einfach verzaubern.

Im August zieht Jördis Tielsch mit Rea Garvey auf „Yellow Jacket“-Open-Air-Tour durch die Republik. Ihren Fans vor Ort aber wird sie erhalten bleiben wie auch der KulturScheune.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher