„Overhessische“ Fabulierkunst

„Overhessische“ Fabulierkunst
Der Tod ist ein Hesse. Das konnten schon die Leser von Dietrich Fabers Bestseller-Krimikomödienreihe um den Vogelsberger Kommissar Henning Bröhmann feststellen. Aber es gibt darin noch mehr zu entdecken, wie am Donnerstagabend auch das Publikum in Herborns „KulturScheune“ erfuhr.Noch mehr als um die Aufdeckung des Bösen in der tiefsten hessischen Provinz, ging es dem Gießener Autor, Kabarettist und Musiker um die alltäglichen Kämpfe des Lebens seiner Romanfiguren. Dazu gehört – neben Bröhmanns Familie – auch der „Cruiser“ und Country-Barde Manni Kreutzer. Und den lernten die Zuschauer kennen.Mit „Bröhmann – Die Zugabe!“ nahm Faber am Donnerstagabend das Publikum noch einmal mit in seine Welt voller schräger Figuren und kurioser Ereignisse. Denn: Nach sechs Romanen hat Faber seinen Kriminalkommissar in den Ruhestand geschickt. „Jetzt gibt es quasi noch ein Best of auf der Bühne“, verkündete der vielseitige Künstler, und legte dabei Fokus nicht auf Aufklärung der Bröhmann-Fälle, sondern auf die Nebenschauplätze seiner Krimireihe.

Mit köstlicher Mimik, der Fähigkeit, sich im Tonfall jedem hessischen Zungenschlag anzupassen, ließ Faber mit großer Fabulierlust und akrobatischen Körperverrenkungen den Schalk in sich von der Leine. Die Leute freute es, konnten sie doch teilhaben an den Schrullen von Bröhmanns Familie wie Sohn Laurien, der ein Kindergartenjahr wiederholen musste, und dem Aussehen ihres Hundes „Charly“, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Hitler aufwies.

Über einen mit körperlicher Anmut dargestellten, dynamisch wirkenden Tangotanzkurs, den Henning Bröhmann mit seiner Frau Franziska besuchte, brachte Faber schließlich seine Paraderolle als Manni Kreutzer ins Spiel, der als rasender E-Bike-Gockel und Country-Music-Fan für jede Meng schrägen Spaß stand.

Im deftigen Vogelsberger Dialekt ließ Fabers Manni die schönsten seiner folkig-bluesigen Countrysongs wie das vom „Lonesomer Wolf“, dem Lied über die Systemrelevanz von Liedermachern in Zeiten der Pandemie und die Mär vom Leben im Dreivierteltakt erklingen. Gesanglich voll auf der Höhe und als Gitarrist vital und versiert unterwegs, bot Faber eine Bühnenperformance, die weit über eine typische Lesung hinausging: bestes Entertainment.

In atemberaubender Geschwindigkeit wechselte Faber Rollen und Stimmen und erzählte, las, spielte und sang. Darüber hinaus betonte er, wie wichtig es ist, in Zeiten der Pandemie im Gespräch zu bleiben. Für den Gießener Entertainer war es jedenfalls eine große Freude, mal wieder in der „KulturScheune“ auftreten zu dürfen, wo er sozusagen längst Heimvorteil besitzt.

Geschmeidig, wuschig und weich war sein Manni, der wider das Geschwätz und Geplärre anträllerte, während sein Henning Bröhmann mit spitzbübischem Grinsen über ein vollwertiges, von den Eltern selbstorganisiertes und verwaltetes Kindergartenzeltlager und einem Jugendfußballturnier berichtete. „Ich bin ein Fan der F-Jugend der JSG Nidda“, erklärte Faber. Nicht zuletzt, weil sein Sohn dort mitspielt – allerdings meistens von der Ersatzbank aus.

Die Szenen und Figuren, die Faber auf die Bühne brachte, entsprachen ganz dem wahren, prallen Leben, das sich um Logik und nüchternen Verstand wenig schert. Wenn er Jugendtrainer Bruno H. an die Tugenden eines Fritz Walter anknüpfen ließ, hatten seine Schützlinge voll verstanden. Und als er den Kommissar zum alufolien- und frauenbefreiten Grillsportverein schickte oder sich beim naturverbunden akademischen Holzmachen im Wald als Baumzerlegermeister erwies, hatten stets die Lacher die Nase vorn.

Fabers oberhessische Alltagslyrik kam an, auch wenn er sie in der Rolle des Alleinunterhalters Willy schon mal herrlich schräg auf den „Highway to Hell“ schickte.

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher