„Wisch und Weg“ statt „Hier und Jetzt“

„Wisch und Weg“ statt „Hier und Jetzt“
Ein immer wieder gerne gesehener Gast in der „KulturScheune“ ist der Kabarettist HG Butzko, der mit seinem zehnten Programm „echt jetzt“ ursprünglich schon für März gebucht war, aber von Corona ausgebremst wurde. Umso mehr freute er sich, am Mittwochabend wieder auf der Herborner Kleinkunstbühne stehen zu können, um sich zunächst ausführlich mit dem Virus zu beschäftigen, das auch für fast alle Kulturschaffenden die Anormalität zum Maß aller Dinge werden ließ.Fleischfabriken, Rassismus, Völkerwanderung und Virologie – das sind für HG Butzko Betätigungsfelder für Experten – oder Fachidioten. Und es sind die Fachidioten, die die Entscheidungen in Sachen Corona treffen und uns die Lebensfreude nehmen, sagt er. Früher gab’s „Schwarzwaldmädel“ und Filme über den „Prager Frühling“ 1968. Heute erkläre Christian Drosten, dass es schön wäre, wenn alle in der Vorweihnachtszeit freiwillig eine Woche in Quarantäne gingen.

Kann sich noch jemand an die „Hongkong-Grippe“ erinnern, die 1968 auch in Deutschland viele Opfer forderte? Heute sind wieder alle Wissenschaftler im Wettbewerb um Fördergelder und permanente Aufmerksamkeit, berichtet Butzko in Sachen Corona. Aber auch er weiß nicht mehr, wer recht hat und was richtig ist: Immerhin haben sich die Klopapierhersteller gesund gestoßen, und die Krise hat mehr Natur sichtbar werden lassen. Oder hat Letzteres Greta Thunberg fertiggebracht?

Der Kabarettist aus Gelsenkirchen bietet mit „echt jetzt“ eine heftige Mischung aus schonungsloser Zeitanalyse, Infotainment, schnoddrigen Gags, Frontalunterricht und pointierter Nachdenklichkeit. Und die mahnt er auch bei den Wissenschaftlern an, die in einer TV-Show ihre unterschiedliche Meinung zum Virus zum Besten geben könnten. Die Zuschauer entscheiden, wer am Ende gewinnt. „Wenn Karl Lauterbach dabei ist, weiß ich, wer als Erster rausfliegt“, sagt Butzko Wie man in den Irrsinn gerät und dabei irrsinnig wird, demonstrierte Butzko anschließend bei seiner Auseinandersetzung mit der schrecklich schönen Digitalwelt. Über das erste Handy im Brikettformat bis zum Handy mit Internet findet der analog aufgewachsene Kabarettist zu der Erkenntnis, dass Menschen zu Nerds werden und das Smartphone sie zu Zombies macht: Amazons Sprachassistentin „Alexa“ regelt unser Leben und Facebook und Twitter werden zu Karriereschmieden, die Jugendliche zu einflussreichen Influencern macht, wenn sie clevere Tipps über nutzlose Dinge abgeben.

Social-Media-Süchtige und Soziopathen tummeln sich in virtuellen Welten, und die Macher der Digitalisierung landen, wenn nicht mehr gebraucht, als realer menschlicher Abfall auf der Straße. „Der Mensch lebt nur im Hier und Jetzt, außer der TV-Historiker Guido Knopp“, verkündet Butzko als Credo für Religion und Wissenschaft. Und in einem sind sie sich auch noch einig: Hantiert der Mensch am Smartphone oder Tablet rum, ist er in dem Moment nicht im Hier und Jetzt, sondern im „Zewa“ – also, im „Wisch und weg“.

Wenn der Algorithmus das Zusammenleben von Menschen organisiert, findet die Natur im Internet statt – und bleibt im realen Leben auf der Strecke. Da kann man nur noch „Alexa“ um Rat fragen. Die wirklich Mächtigen sitzen nicht auf den Regierungsbänken in den Parlamenten, oder an der Wall-Street: Die wirklich Mächtigen sitzen im Silicon Valley. Für HG Butzko gibt es auch weiterhin viel zu tun – getreu dem Motto: „logisch statt ideologisch“ dem Zeitgeist mit wachem, kritischem Geist auf den Zahn zu fühlen.

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher