Höchstwerte auf der Humorskala

Höchstwerte auf der Humorskala

Spinner, Trolle, Deppen, Fantasten, Traumtänzer und viele wundersame Typen mehr tummeln sich in den Welten des Humoristen und Kabarettisten Erik Lehman und der Klavierkabarettistin Anne Folger. Beide bestritten die zweite Runde im Wettbewerb um die begehrten Herborner „Schlumpewecks“.

Unbestritten war dabei die Qualität ihrer Darbietungen, die auf der nach oben offenen Humorskala absolute Höchstwerte erzielten. Das Publikum war sich darin einig, dass man schon lange nicht mehr so unverschämt befreiend in der Kulturscheune lachen konnte.

Erik Lehmann, ehemaliges Mitglied der Dresdner Herkuleskeule und mit unzähligen Kleinkunstpreisen geehrt, ist nicht nur ein beeindruckend scharfzüngiger Kabarettist, er ist auch Schauspieler, Satiriker und Meister im Aufspüren menschlicher Abgründe. „In der Katastrophe das Positive denken“, lautete sein Credo in der Rolle des sächselnden Uwe Wallisch, der sich auf ein U-Boot-Modell freute, das es bei Aldi im Angebot gibt.

Dass es sich dabei um ein ursprünglich für die griechische Marine gedachtes Atom-U-Boot mit 65 Metern Länge handelte, das man ihm per Schwertransporter vor die Haustür stellte, hatte er nicht bedacht. Dennoch machte sich Herr Wallisch so seine Gedanken, wie so ein Teil gewinnbringend zu vermarkten sei: „Als Konkurrenz zur Weißen Flotte könnte sich insbesondere für Engländer so eine ganz neue Perspektive – von unten – auf Dresden – eröffnen.“ Unterirdisch gut, dennoch nah dran an der Realität war Erik Lehman als rheinländischer Fallmanager im Jobcenter. Dort brachte er Existenzen zu Fall. „Sie fallen und ich manage das für Sie“. Als bayerischer Förster entwarf Lehman Waldstrategien für Kinder und ihre hysterischen Mütter, die die Natur per se für schädlich halten: „Wir sind davon ausgegangen, dass der Wald indoor stattfindet.“

Erik Lehmann, abermals als Uwe Wallisch, lieferte am Ende seines denkwürdigen Auftritts eine Welt des wunderbaren Schwachsinns. Um eine blaue Hortensie zu einem kleinen Preis verkaufen zu können, bedurfte es aller Tricks und des Kaufs einer teuren Spiegelreflexkamera, um das Objekt einer grenzdebilen Interessentin mit Belegfoto schmackhaft zu machen: „Hat die auch blaue Wurzeln?“

Kein Stereotyp und kein Dialekt waren vor Erik Lehmanns kuriosem Figurenpanoptikum sicher. Und dabei kümmerten den leidenschaftlichen Kabarettisten Unkorrektheiten herzlich wenig, vielmehr waren sie sein Kapital. Das Publikum lachte trotzdem – oder gerade deswegen.

Im zweiten Teil des Abends ließ die Klavierkabarettistin Anne Folger die Sonne aufgehen. Virtuos verwob sie den Beatles-Song „Here Comes The Sun“ mit den klassischen Klängen eines Johann Sebastian Bach. „Ich spiele gerne Beethoven; aber nicht so, wie er es vorgegeben hat“, verkündete die Piano-Queen, die nicht nur mit den Fingern, sondern auch mit der Zunge vorneweg war. Frisch verliebt in einen Virologen, feiert sie das Leben und die Liebe im melancholischen, von Chopin inspirierten Lied „Lauf Mädchen lauf“, oder berichtete zur Ouvertüre von Verdis „Aida“ über ihren Dienstleistungsauftrag auf einem Kreuzfahrtschiff, der von ihr die Auseinandersetzung mit der Welt des Schlagers abverlangte.

Und so sang sie Schlagertexte mit versteckten Krankheitsbotschaften, wie „Diabetes Dream“ oder „Dein ist mein ganzes Herz. Du musst gestorben sein, dein Organ ist dann meins.“ Von ICE-Fahrten mit schlechtem Empfang bis zu ihrer Rolle als Youtube-Bloggerin Doremi, die in ihren Tutorials erklärt, wie sie sich die Lider mit Beethoven schminkt, reichte Anne Folgers Liedprogramm, in dem sie klassische Hochkultur und scharfzüngige Kleinkunst aufs Feinste miteinander zu verbinden wusste.

Die Herzen des Herborner Publikums flogen ihr zu, als sie mit dem „fliegenden Robert“ aus dem „Struwwelpeter“ hart am Wind zu fernen Ländern flog.

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher