Politisch unkorrekt, unterhaltsam, musikalisch

Politisch unkorrekt, unterhaltsam, musikalisch
„Wer ist superattraktiv? Mirja Boes!“ Mit viel musikalischem Tamtam erklimmt die Powerfrau der deutschen Comedyszene die Herborner „KulturzAUber“-Bühne. „Machen wir uns einen schönen, herrlich sinnlosen Abend“, verkündet die irgendwie immer Göre gebliebene Kölnerin neben der „KulturScheune“. Begleitet von ihrer Band „Honkey Donkeys“, singt sie in ihrer grell-grünen Bluse und mit kraftvoller Stimme über die Zukunft, die heute schon gestern ist. Für ihr Publikum bedeutet die Gegenwart mit ihr, sich auf zwei unterhaltsame Stunden zu freuen, die freilich nicht an hochkulturelle Standards heranreichen. Dafür dürfen sich Mann und Frau anfassen: „Heute mal kein #MeToo.“
Mirja Boes macht gerne Witze über männliche Geschlechtsteile: „Man greift mal gerne zu.“ Sie macht sich so ihre Gedanken über die Entwicklung ihres Sohnes, bei dem nach ärztlicher Untersuchung alles richtig liegt. Dazu betet sie schon mal den Hodenkranz: „Doch. Leck mich am Fuß.“ Mirja Boes versteht sich nicht nur auf Unterleibstrallala, sondern auch auf Romantik, und singt ein romantisches Lied über eine Wurstverkäuferin und über das „Gemischte-Süßigkeiten-Tütchen am Büdchen“, wobei sie herzhaft in die Blockflöte bläst.
Die „Honkey Donkeys“ machen sich in alberner Kostümierung – in grellbunten Tütüs oder im Gemüsedressing – zum Affen. Dass die Band musikalisch erste Sahne ist, steht dabei außer Frage. Das zeigt sich bei der unterschiedlichen Interpretation des Reinhard-Mey-Klassikers „Über den Wolken“ stilsicher in Sachen Dixie, Techno, Heavy Metal und Volksmusik.
Und wenn sich die vier Musiker im Ballermann-Look einem grölenden „Olé, olé“ hingeben, verkündet Mirja Boes: „Schön, dass Ihr jetzt von der Band auch mal was Privates mitbekommt“ und befindet: „Wenn ich ein Mann wär, wär ich Arschprolet, weil damit alles leichter geht.“
Über einen Verleihservice für Tiere und gut erzogene Kinder, damit man keine bösen Überraschungen erlebt, sinniert und swingt die Comedienne über Glück und Essen („Iss doch mal was Fettiges, dann sieht die Welt ganz anders aus“). Und wenn sie über Freundschaft singt, wird sie ganz melancholisch: „Wir hatten ja uns. Wir waren füreinander da und fühlten uns nah.“ Das Liebeslied auf ihren Partner fällt etwas krasser aus, wenn sie singt: „Ich liebe alles, was ich an Dir hasse. Alles, was mich nervt an Dir, find‘ ich trotzdem klasse.“
Dazwischen nervt „La Boes“ die Menopause und mehr: „Nur Frauen und Wale kommen in die Wechseljahre“, weiß sie und zählt auf, welche Leiden man dabei ertragen muss: „Man bekommt alles – außer Fußpilz.“
Am Ende kommt sie doch an Corona und den daraus folgenden Auswirkungen nicht vorbei, und zieht daraus auch ein positives Fazit, wenn sie in Karnevalsstimmung singt; „Die Maske hat dich schön gemacht. Bitte zieh sie niemals wieder aus.“
Man kann Mirja Boes für ihr Tun eigentlich nicht böse sein. Und bekanntlich kann man sich über Geschmack ja trefflich streiten. Mirja Boes ist nicht verrückt geworden. Nein. Sie ist noch verrückter.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher