Gelungener Wiedereinstieg

Gelungener Wiedereinstieg
Gelungener hätte der Einstieg in den „Kusch-Kulturzauber“ nicht sein können. Die lauschige Atmosphäre, die am Freitagabend auf dem Parkplatz zwischen Kulturscheune und Gutshof-Hotel herrschte, lockte viele Besucher zur ersten Open-Air-Sommerevent-Veranstaltung des Jahres nach Herborn.
„Wir freuen uns darauf, dass es wieder losgeht“, verkündete der Vorsitzende der Kulturscheune, Jörg Michael Simmer, um danach die Bühne für den Comedian und Kabarettisten Stephan Bauer freizugeben. Und der ließ sich mit seinem neuen Programm „Ehepaare kommen in den Himmel – in der Hölle waren sie schon“ nicht lange bitten, schließlich war es sein erster Auftritt nach dem Lockdown seit Oktober.
Stephan Bauer hat privaten Kummer. Seine Frau will nicht mehr mit ihm schlafen. „Wie haben sich doch die Zeiten geändert. Früher hatten wir keinen Sex vor der Ehe, heute keinen Sex in der Ehe“, verkündete der 52-jährige Kabarettist, der sich bis zum Ende seines zweistündigen Programms auf 35 Jahre verjüngte. Vor keinem Kalauer, vor keiner Doppeldeutigkeit und Schlüpfrigkeit und vor keinen Klischees schreckt Bauer zurück, um sein Anliegen an Mann und Frau zu bringen. Dem Niveau seiner Ein- und Auslassungen über die aberwitzige Rettung vor falschen Genderidealen, überzogenen Glücksvorstellungen und Orientierungsverlust, den die Moderne heute mit im Gepäck hat, tat das allerdings keinen Abbruch.
Die Schlagzahl seiner Pointen war hoch, die zum Schmunzeln und immer wieder zu befreiendem Lachen einluden. „Ich gehe regelmäßig zur Erektionsfrüherkennung“, ließ er das Publikum wissen, das sich vielleicht selbst die Frage stellte, ob nach langen Ehejahren noch das Feuer glimmt: „Es ist wie mit der Coca Cola. Zuerst kam Normal, dann Light und zum Schluss Zero“. Die Frauen vermissten die positive Männlichkeit und die Männer, die nichts mehr von „Ich kam, sah und siegte“ an sich haben, sondern nach 50 Jahren Emanzipation verweichlicht seien, hätten nichts mehr zu sagen. „Wenn ich mir im Lokal ein Radler bestelle, fragt mich die Bedienung, ob ich noch Wachsmalstifte dazu haben möchte“, so Bauer.
Vom leidigen Problem mit der Libido kam Stephan Bauer zu Fragen über die Weltrettung mittels richtiger Ernährung und last but not least zu dem, was die Pandemie mit uns gemacht hat: „Wir sind dauerhaft im Panikmodus, und das macht uns leicht manipulierbar“. Stattdessen rät der Kabarettist zu mehr Gelassenheit, wenn man mal etwas auf den Zug warten muss: „Der Zug wird schon kommen, die Gleise sind ja schon da.“
Befreiend war Stephan Bauers Witz, der in Zeiten sozialer Verarmung und Vereinsamung so wertvoll geworden ist wie die Luft zum Atmen. „Nähe dort wieder herzustellen, wo sie verloren gegangen ist, ist wichtig, auch wenn Männer und Frauen unterschiedliche Vorstellungen davon haben“, ließ sich Bauer vernehmen. In einer immer digitaler werdenden Welt, waren sein analoger Humor und Hintersinn einfach wunderbar.

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher