Melancholisch, morbide und feinsinnig

Melancholisch, morbide und feinsinnig

Frech, bizarr und burlesk kommt die Kunst des Sebastian Krämer daher, die sich hinter einem Joachim Ringelnatz oder einem Georg Kreisler nicht verstecken muss. Der gebürtige Ostwestfale, mit Wohnsitz in Berlin, hatte bei seinem Auftritt in der Kulturscheune mehr als nur anschmiegsame „Liebeslieder an deine Tante“ im Gepäck. Für den Chansonnier und Verseschmied steht der freche, hintersinnige Humor im Vordergrund, mit dem er nicht nur seine bucklige Verwandtschaft durch den Kakao zieht, sondern auch noch den Abgründen des Lebens auf der Spur ist. Begleitet von dem virtuosen Cellisten Victor Plumettaz ist Krämer in seinen morbiden, querdenkenden Moritaten den Verquickungen und Schmerzen der Liebe auf der Spur. Manchmal traurig und melancholisch, bisweilen bösartig und immer wieder voller Schmerz sind die Verse und Harmonien des Pianisten, Sängers und Erzählers. Dabei lässt Krämer sein Publikum teilhaben an seinem Blick über den Tellerrand gesellschaftlicher Normen hinaus.

Mit treffsicheren Pointen fühlt er dem gutbürgerlichen Deutschland als bissig-charmante Krämer-Seele auf den Zahn. Sebastian Krämer provoziert mit hintergründigem Humor und trifft den Nerv seiner Zuhörer, die sich nur zu gerne von dem bedrohlich anschwellenden Lärm eines herannahenden Güterzuges, von Cellist Plumettaz auf die Spur gebracht, überrollen lasen. Überraschend sind die Themen, die der Chansonnier in seinen Balladen aufgreift – wenn er sich seinen Gedanken zur Welt der Elektrizität macht, über Flugzeuge, die über seinem Reihenhaus fliegen oder über das schwierige Verhalten einer Grundschullehrerin singt.

Doch immer wieder geht es Krämer mit aberwitzigen Wendungen über die Liebe, wobei sein Spektrum von fröhlichem Liebeskummer, der sich nicht einstellen will, wenn man ihn mal braucht, über Nichtverliebte bis zu Liebesliedeinforderungen reicht. Angetrieben von beschwingten Melodien, mischen sich in seine wortgewandten Erzählungen Trauer, Unheil und das vergebliche Warten auf Verlorenes und Vergebliches.

Sebastian Krämer feierte in der Herborner Kulturscheune das pralle Leben, sehr zur Freude des begeistert mitgehenden Publikums.

(Fotos: Sabine Rühl)

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher