Die Macht der Worte

Die Macht der Worte

Klimawandel, Rassismus, falsche Schönheitsbilder und Inklusion – gesellschaftskritisch, klug, nachdenklich und hochgradig humorvoll hat sich der nun schon 20. Herborner Scheunenslam am Freitagabend präsentiert. Bereits zum dritten Mal in Kooperation mit der Lebenshilfe Dillenburg, bot der moderne Dichterwettstreit ein sensationelles Line-Up: Vier der besten Poetry Slammer im deutschsprachigen Raum traten gegeneinander an und begeisterten das Publikum.

Eine zufällig ausgewählte, fünfköpfige Publikumsjury entschied nach jeweils zwei Texten, welche der vier Slammer ins Finale kamen. Gina Walter, U20-Schweizermeisterin 2017, überzeugt charmant und mit viel Situationskomik in ihren Beiträgen über ihren ersten Stadionbesuch und ihren Alltag als Grundschullehrerin. Überraschungsgast Annika Hofmann aus Hanau setzte sich kritisch mit Schein-Perfektionen auf Social Media auseinander, plädierte dafür, „Schönheit durch Einzigartigkeit zu ersetzen“ und schilderte, wie „Ideen wie Konfetti“ hinderlich im Schaffensprozess sein können.

Florian Wintels, dreifacher Landesmeister für Niedersachsen und Bremen sowie deutschsprachiger Meister 2022, frotzelte im ersten Auftritt beherzt über das Leben auf dem Land, im zweiten las er einen fiktiven Brief an seinen Mathelehrer vor, was ihm neben vielen lauten Lachern die Höchstwertung der Jury einbrachte. Jann Wattjes, Poetry Slammer seit 2015 und NRW-Meister 2021, äußerte sich mit „Der Marder“ scharfsinnig und großartig verpackt gegen Faschismus und holte das Publikum nach der Pause temporeich mit einer „affengeilen Polonaise“ ab.

Im Finale standen sich schließlich Florian Wintels und Jann Wattjes gegenüber. Trotz eines grandiosen Auftritts von Wattjes war der eindeutige und vom lauten Applaus gekürte Sieger Florian Wintels, der mit seiner Hochgeschwindigkeits-Lyrik über den Aufstand der Natur gegen den Menschen den Abend für sich entschied.

Die Lebenshilfe-Mitarbeiter Sascha Kirchhoff und Livia Warch führten schlagfertig durch den Abend. Emotional wurde es, als Kirchhoff den Text eines Klienten vorlas, den er über viele Jahre begleitet hatte und der kurz zuvor verstorben war. Kirchhoff betonte: „Inklusion ist wichtig.“ Menschen mit Behinderung waren nicht nur Teil des Abends, sondern tauchten ganz selbstverständlich auf – sei es am Einlass, bei der Bewirtung oder auf der Bühne.

Ein besonderes Highlight war der Beitrag von Jan Bernhardt, der in seinem Text über das Recht auf Selbstbestimmung sprach. Dieser wurde von Eileen Neumann in Gebärdensprache begleitet. Ebenfalls emotional wurde es, als die beiden Lebenshilfe-Betreuten Manuela und Niklas Schneider über ihr erstes Ehejahr sprachen. In einem Text, den sie in der Schreibwerkstatt der Lebenshilfe Dillenburg verfasst hatten, verglichen sie ihre Ehe mit einem Fußballspiel: „Wir sind ein Team. Wir verlieren zusammen, wir gewinnen zusammen.“
(Text: Conny Holtfoht; Fotos: Manuel Bahmer)

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher