Es ist so: „Nix geht über live!

Es ist so: „Nix geht über live!

Gelungene Herborn-Premiere! Mit einem umjubelten Open-Air-Konzert im Rahmen des KulturzAUbers machte die A-Capella-Formation „Alte Bekannte“ dem Städtchen an der Dill erstmals ihre Aufwartung und hinterließ dabei bleibenden Eindruck.

Mit dem über zweistündigen Konzert begeisterte das 2017 als Nachfolge-Band der legendären „Wise Guys“ gegründete Quintett viele alte, aber auch zahlreiche neue Fans auf dem Parkplatz hinter der KulturScheune Herborn. Clemens Schmuck (Bariton, Ingo Wolfgarten (Bariton), Friedemann Petter (Baritenor, seit 2020) sowie die beiden ehemaligen „Wise Guys“ ), Daniel „Dän“ Dickopf (Bariton) und Björn Sterzenbach (Bass mit Beatfunktion) zeigten sich in absoluter Spiellaune, denn nicht umsonst lautet das Motto der aktuellen Tour ja „Nix geht über live!“

Und so waren viele Titel des aktuellen Albums „Stabil“ zu hören. Aber es hatten sich, sehr zur Freude der Zuschauer, auch einige Klassiker der Wise Guys ins Programm geschlichen. Dass mittlerweile zwischen dem ältesten und dem jüngsten Mitglied fast zwanzig Jahre Altersunterschied liegen, ist für den musikalischen Entwicklungsprozess der Gruppe ausgesprochen förderlich und liefert eine Menge Input.

Die thematische Bandbreite der Songs ist groß. Es geht um unbehandelte Depressionen („Bleib stabil“) genauso wie um Sprachkritik bzw. Wortspiel („Eigentlich“ / „Schöne neue Welt“). Und mittendrin lustige Klassiker wie „Das Sägewerk Bad Segeberg“, das zwar Falschinformationen liefert (wie Dän augenzwinkernd betonte, denn es gibt dort kein Sägewerk). Dass aber zugleich als Song hohen Ohrwurmcharakter hat.

Nicht nur personell, auch kompositorisch sind die Verknüpfungen zwischen den Alten Bekannten und den Wise Guys nicht zu übersehen. Letztere hätten Songs wie „Perfekt“ oder „Nicht mein Zirkus“ ebenso schreiben und präsentieren können – mit chorischen „Uhhs“ und der Leichtigkeit der „dap-dap-Harmonien“. Neuzugang Friedemann Petters erster Komposition war das Eifel-Medley, bei dem der Landstrich plötzlich Einzug in diverse Popsongs hält („Eifel survive“ oder „Eifeliev I can fly“).

Urgestein und Cheftexter Dän Dickopf muss nach einem Schlaganfall in der Corona-Zeit mit seinen Kräften etwas mehr haushalten, ist und bleibt aber a) das Gesicht der Band und b) der wichtigste Moderator zwischen den Songs. Soloparts sind eher selten geworden, doch beim Lied gegen die Sprachlosigkeit von bestimmten Menschen muss es einfach raus: „Du bist ein Arschloch“ skandiert er und lässt nebenbei keinen Zweifel an einer klaren politischen Grundpositionierung der Band für Mitmenschlichkeit und Weltoffenheit

Gegen Ende des Konzerts hält es die Besucher nicht mehr auf den Sitzen, wenn Klassiker der Wise-Guys-Geschichte wie „Deutsche Bahn“, „Antidepressivum“ und natürlich „Sing mal wieder“ herausgekramt werden. Und so enden über 120 Minuten feinste Unterhaltung, deren Energie sogar die kühlen Außentemperaturen vergessen lässt.

 

 

Gert Fabritius