Meister des befreienden Lachens

Meister des befreienden Lachens

„Nehm se’n Alten“, heißt es im berühmten Couplet von Otto Reuter. Auf Robert Kreis (73), den großartigen Klavierhumoristen und begnadeten Erzähler mit dem Menjou-Bärtchen gemünzt, heißt das, alte Sachen frisch und unverblümt frech erklingen zu lassen. Bei seinem zweiten Auftritt in der KuSch lässt er mit seinem neuen Programm „Unkraut vergeht nicht“ die Musik und Kultur der 1920er und 1930er Jahre wieder auferstehen. Sehr zum Vergnügen seines Publikums, das sich von seinem Charme und seiner Erzählkunst gerne um den Finger wickeln lässt.

„Schlechte Zeiten. Noch schlechter können sie nicht werden“, konstatiert der niederländische Entertainer, Kabarettist und Pianist mit Wohnsitz in Berlin, und verleugnet keineswegs, dass früher auch nicht alles besser war: „Aber früher gab es mehr famose Leute und schönere Frauen“. Für was Neues sei es für ihn sowieso zu spät, befindet Kreis, der es sich dennoch nicht nehmen lässt, die Juwelen der Weimarer Unterhaltung mit verblüffender Leichtigkeit zu präsentieren und dabei einen unterhaltsamen Bogen zwischen gestern und heute zu spannen.

Etwas von Johannes Heesters („als Holländer muss ich ihn ersetzen“) und Georg Kreisler an sich, gönnt sich das Gesamtkunstwerk Kreis keine Atempause. „Unkraut vergeht nicht“, bekennt er und begibt sich mit Wortwitz und Schlagfertigkeit auf eine Zeitreise ins Berlin der „Goldenen Zwanziger“, in der Stil, Eleganz und Contenance noch etwas zählten. Dabei erweist er sich bei seiner Auswahl der Chansons, Couplets und Schlager – von Jean Gilbert bis Friedrich Hollaender – als genauso so unterhaltsam wie bei seinen köstlichen Plaudereien.

Mit Schwung zelebriert Kreis am Klavier die Kunst des Seitensprungs („Jeder Mann, wenn er kann, macht `nen Seitensprung. Er gibt Schwung, so ein kleiner Seitensprung“). Und dann der Witz auf den betrogenen Ehemann der seine Frau inflagranti erwischt. Er fragt: „Was geht hier vor?“ Sie antwortet: „Deine Uhr!“ Schnell, fast zu schnell, vergeht die Zeit mit dem glänzenden Unterhalter, der sich als Unikum im besten Sinn zu verkaufen versteht.

Gerne nimmt sich Kreis selbst auf die Schippe, gibt mit bübisch verschmitztem Gesichtsausdruck den Filou, der bissig, ironisch und urkomisch alles auf den Punkt bringt. Dabei ist bei ihm alles eine runde Sache, die auch mal Ecken und Kanten hat.

Der jüdische, der englische, der französische, russische und der deutsche Witz bieten Robert Kreis die Gelegenheit, sich als Zeremonienmeister des befreienden Lachens zu üben. Was steht in einem jüdischen Kochbuch statt „Man nehme ein Ei?“ „Man leihe sich ein Ei!“ Und wenn bei der Zollkontrolle bei einer Engländerin Galanteriewaren für jeweils einen Tag gefunden werden, während bei einer Französin das Wochenende (Oh là là) beinfrei bleibt, hat die Russin zwölf robuste Slips im Koffer: Für jeden Monat einen.

Sein Menü aus Schlagern und Couplets lässt in Sachen Witz und Ironie keine Fragen offen. Im Stil von Claire Waldoff singt er mit kräftiger Stimme, dass das Leben herrlich, aber auch manchmal gefährlich sein kann. Und Hans Albers feiert in „Hoppla, jetzt komm ich“ eine stimmungsvolle Wiederauferstehung. Auch an doofen Leuten – heute wie damals arbeitet sich der Entertainer, der sich kleidungstechnisch keine Niveaulosigkeit leistet, genussvoll ab. „Bei denen möchte ich keine Gehirnzelle sein. Den ganzen Tag so schrecklich allein“, erklärt der Wahlberliner aus Überzeugung.

Gegen das Tempo unserer Zeit, mit der wir die schönste Zeit verplempern, singt er mit großer Leidenschaft an. Gegen niveaulose Politiker und geistige Pleitiers wettert er ebenso, wie gegen die Besserwisser und Möchtegerns in unserer Gesellschaft. Mit einem Schlager-Potpourri klingt der wundervolle Abend aus. Dabei lässt der Klavierkomiker den schrägen Humor der Zwanziger noch einmal aufblitzen.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher