Dem Hass mit Liebe begegnen

Dem Hass mit Liebe begegnen
Tobias Mann ist ein guter Mensch: das Herz am rechten Fleck, die Gesinnung „linksgrün versifft“. Der Mainzer Stand-up-Kabarettist und Musiker, der es auf der Open-Air- Bühne des „KulturzAUbers“ an der Herborner „KulturScheune“ sichtlich genoss, wieder einmal vor livehaftigem Publikum auftreten zu können, gab seinem neuen Programm „Chaos“ mächtig die Sporen.
Mit viel Wut im Bauch auf lasche Politiker, gierige Dumpfbacken und Ewiggestrige versucht er, etwas Ordnung ins Chaos des großen und kleinen Weltgeschehens zu bringen. Mit dem Song „Fuck you, Corona“ singt und spielt er mit lauter Stimme gleich zu Beginn gegen die schlechte Laune an, die uns das Virus beschert hat: Mann glaubt an das Virus, wenngleich er nicht alle Maßnahmen dagegen für angemessen hält.
Ohne lange Umschweife wendet sich der Humanist in ihm dem Wahnsinn in der Welt zu, in der Ausflüge von exzentrischen Milliardären ins All als Topnachricht verbreitet werden, während unten die Erde verbrennt, die Politik aber bunter geworden ist.
Und so begibt sich der Kabarettist in die Niederungen des Politik- und Parteiengeschehens, dem letztendlich nur noch mit Mitteln der Satire begegnet werden kann. „Wir haben viele laue, lasche Politiker, die alle ziemlich aufgekratzt sind“, verkündet er und nimmt sich sogleich Armin Laschet, Markus Söder und den „Scheuer-Andi“ vor.
Darf man das Hochwasser als Klimakrisen-Ereignis für den Wahlkampf instrumentalisieren? Armin Laschet tut es nicht: „Wegen eines Ereignisses ändert man doch nicht die Politik.“ Für ihn ist der CDU-Kanzlerkandidat das politische Pendant zur Ölheizung.
Und auch die Parteien kommen nicht gut weg, auch nicht die Grünen, die mittlerweile die „Partei des kleineren Übels“ seien: „Die haben so lange gewartet, dass sie mittlerweile schwarz geworden sind.“
Mann räumt auf mit der Task force aus Spahn und Scheuer und der noch immer frauenfeindlichen Politik im Land, die Annalena Baerbock betrifft.
Als vielseitiger Kleinkünstler trumpft er in Herborn groß auf, wenngleich manches zu grob gestrickt ist, um so einer wirklich subversiven Satire mehr Raum zu geben.
Dabei hat Mann in der Pandemie mehr Zeit fürs Wesentliche gefunden wie Kerzen zu ziehen, einen Roman zu schreiben und Blockflöte zu spielen. „Ich bin ein sehr ruhiger Typ geworden“, bekennt er, um sich bei nächster Gelegenheit wieder mächtig aufzuregen, wie im Lied über den Empörungsmenschen Hilmar, der in allem Fremden und Neuem eine Gefahr sieht. Dümmer will Tobias Mann auch noch werden, keine Selbstzweifel mehr haben und sich die Intelligenz runtersaufen. Doch letztendlich ist er nicht dumm genug, um die Probleme der Welt zu ignorieren: Auch er kann sich den Anstrengungen für eine bessere Welt, die nicht nur den Reichen und Satten nützt, nicht verschließen: „Nur mit fortschreitendem Alter hat mein Glaube an den Humanismus etwas Palliatives bekommen.“
„Ich habe einen Traum, in dem sind alle Menschen Brüder, außer den Frauen, die ja Schwestern wären. Niemand wird mehr ausgegrenzt. Kriege gibt es nur noch im Museum. Man geht endlich wieder in sich und richtig aus sich raus.“ Die Botschaften des schlaksigen Entertainers sind zu gewichtig, um sie zu ignorieren. Sie kommen beim Publikum an, hinterlassen nachhaltige Wirkung. Tobias Mann, der als Sänger, Gitarrist und Pianist keinen Zweifel an seiner Musikalität aufkommen ließ, zeigt sich auch als Moralist und Mahner für das Gute und Schöne auf der Höhe der Zeit.
Er möchte dem Hass mit Liebe begegnen, und zeigt sogar Verständnis für Björn „Bernd“ Höcke von der AfD: „Der hatte eine schlimme Kindheit. Er ist als Kind in einen rechtsdrehenden Joghurt gefallen und goebbelt jetzt so herum.“
Und mit seiner finalen Hip-Hop/Rap-Version von Goethes „Faust“ war er als „MC Phisto“ einsame Spitze.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher