Auf den Spuren einer Diva

Auf den Spuren einer Diva

Claudia Michelsen ist eine der gefragtesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum, die dank ihrer feinen Darstellungskunst, selbst schwierigste Charaktere mit Verve meistert. Jetzt präsentierte Michelsen in der KuSch Stationen aus dem Leben der Kinolegende Marlene Dietrich. Schnörkellos war die Lesung, bei der sich die TV- und Filmschauspielerin nicht mit langen Vorreden aufhielt, sondern sich sogleich mitten hinein in die widersprüchliche und kompromisslose Existenz der Diva mit Haltung, Flair und faszinierender Präsenz begab.

Claudia Michelsen, die für die erste abendfüllende Lesung in der Kulturscheune aus Berlin angereist war, legte keinen Wert auf visuellen Schnickschnack. Im schlichten Schwarz, das Haar zu einem Knoten hochgesteckt, stellte sie sich auf der ins Dunkle getauchten Bühne ganz in den Dienst der Erinnerung an Marlene Dietrich. Bereitwillig hing das Publikum an ihrer einnehmenden Stimme, die in puncto Tempo und Betonung von schnörkelloser Klarheit war, um an den bedeutendsten Ereignisse und Begegnungen der Dietrich teilzuhaben.

Basierend auf der Dietrich-Autobiografie „Nehmt nur mein Leben..“, Tochter Maria Rivas Biografie „Meine Mutter Marlene“ sowie Josef von Sternbergs Autobiografie, wurde für die Zuhörerschaft ein schillerndes Leben aufgefächert, das in Einsamkeit endete: „Dem Alleinsein kann man nicht entgehen, der Einsamkeit nicht. Ich kann kein Happy End für mich empfinden“, so die von Jean Gabin als „strenge Preußin“ titulierte Marlene am Ende ihres Lebens.

„Sie hatte konsequent eine Haltung, die heute immer mehr verloren geht“, erklärte Claudia Michelsen zu Beginn ihrer Lesung über die in Berlin aufgewachsene Dietrich, die ihre Karriere als Schauspielerin im Josef von-Sternberg-Erfolgsfilm „Der blaue Engel“ startete, um dann Anfang der 1930er Jahre von Hollywood aus die Welt zu erobern,

Die Sympathie, die Claudia Michelsen für Marlene Dietrich empfindet, war zwei kurzweilige Stunden stets spürbar. In Liebe verbunden zu ihrem Ehemann Josef Sieber, dem Schriftsteller Erich Maria Remarque und Jean Gabin, dem sie bis zu ihrem Lebensende nachtrauerte und gegenüber dessen Wohnung sie nach der Trennung immer in einem Café gesessen hatte, nur um einen Blick auf ihn zu erhaschen, lebte die Diva das Leben einer Frau vor, das bis heute Rätsel aufgibt. Weil sie für die Befreiung Deutschlands vom Hitler-Faschismus in der US-Army kämpfte, wurde sie von Teilen der deutschen Bevölkerung als „Vaterlandsverräterin“ beschimpft.

Die Dietrich, die jenseits der 50 ihre zweite Karriere als Diseuse startete, begleitet von zahlreichen Unfällen, lebte in den letzten Jahren zurückgezogen in Paris. „Es gibt keine Schönheit, keine Romantik mehr“, erklärte sie, als sie älter wurde. Als 1992 ihr Herz aufhörte zu schlagen, erfüllte sich ihre Befürchtung, bald vergessen zu werden, nicht. 28 Jahre nach ihrem Tod ist sie, entgegen ihrer eigenen Vorhersage, eine Kultfigur mit Ewigkeitsanspruch.

Nach dem letzten Satz, der in eine absolute Stille mündete, erklang Marlenes Version von „Sag mir, wo die Blumen sind“. Das Publikum ergriffen von einer wunderbaren Begegnung mit zwei Künstlerinnen, bedankte sich mit großem Applaus für diesen berührenden, intimen Abend.

Ermöglicht wurde der Auftritt von Claudia Michelsen nicht zuletzt dank der Förderung durch den „Kultursommer Mittelhessen“.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher