Experten des eleganten Sprechgesangs

Experten des eleganten Sprechgesangs
Kabarettisten, die singen und Klavier spielen, gibt es viele. Doch nur zwei, die mit stilistisch bunt gefärbtem Salon-HipHop die Alltagsidiotie und den Zeitgeist gekonnt aufs Korn nehmen: Liedermacher und Komponist Thomas Pigor und Chansonnier und Pianist Benedikt Eichhorn haben am Freitagabend mit ihrem Programm „Pigor singt – Benedikt Eichhoren muss begleiten Vol. X“ ihre Premiere in der Kulturscheune (Kusch) in Herborn gefeiert.
Mit ihren deutschsprachigen Chansons loten die beiden älteren Herren, die sich noch lange nicht reif für die Rente fühlen, die Grenzen zwischen der analogen und digitalen Welt aus. Dabei ging es ihnen nicht nur um die Kenntnisse von dem, was Moral und Politik bewirken können, sondern auch um die richtigen Bekenntnisse jenseits von Mülltrennung und politischer Korrektheit.
Locker umschifften die Experten des eleganten Sprechgesangs die Fallstricke der Rhetorik und analysierten mit spitzer Zunge, was es mit dem Verhalten der Polizei auf sich hat, die Menschen mit blauen Augen und deutschem Pass nicht kontrollieren würden.
Zwischen ihren Liedern lieferten sich „Pigor & Eichhorn“ einen emotional aufgeladenen Disput, um die Kunst, Recht zu behalten, oder ob die plattdeutsche Plural-Endung „s“ das Gendern erleichtert: „Mit Lehrers und Polizistens sind alle Geschlechter gemeint.“ Ansonsten ließen sie die deutsche Sprache swingen und ergehen sich mit spitzer Zunge in lautstarke und lautere Wortgefechte wider die Wehleidigkeit und Ignoranz ihrer Mitbürger.
Momenten der Rührung und der Sehnsucht nach partnerschaftlicher Harmonie, die in der deutschen Version („Bitte mach nicht Schluss“) des Klassikers „Ne me quitte Pas“ als feuchter Stalker-Traum endeten, stand das Prinzip Hoffnung bei Fragen zum Klimaschutz und Energiepolitik gegenüber, verbunden mit einer vehementen Schelte an die aktuelle Politik.
Mächtig – bis zum Schluss – legten sich „Pigor & Eichhorn“ in ihren Jazzballaden und larmoyanten Chansons ins Zeug, damit der Optimismus über die Hoffnungslosigkeit obsiegt. Das Publikum konnte mit dem Gefühl, gut geerdet worden zu sein, nach Hause gehen.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher