Eisermann erweckt „Werther“ zum Leben

Eisermann erweckt „Werther“ zum Leben

Bekannt wurde André Eisermann durch seine Darstellung des „Kaspar Hauser“ und seine überzeugende Wandlungsfähigkeit in „Schlafes Bruder.“ Am Sonntagabend war er zusammen mit dem Pianisten und Komponisten Jakob Vinje in der Kulturscheune (Kusch) Herborn zu Gast, um seine Spoken-Word-Performance zu Goethes Sturm-und-Drang-Meisterstück: „Die Leiden des jungen Werther“ zu präsentieren. Das Publikum wurde Zeuge einer emotional mitreißenden Literaturshow.

Es begann 1999 in Wetzlar, als der Schauspieler André Eisermann gebeten wurde, zur Wiedereröffnung des Lottehauses, dem Elternhaus Charlotte Buffs, aus seinem Erstlingswerk zu lesen. Bis heute hat er dem jungen Werther hunderte Male seine Stimme gegeben. „Ich liebe es, in eine Zeit einzutauchen, die nicht so anders ist wie heute. Die Liebe, und das Leiden an ihr sind eine zeitlose Angelegenheit“, erklärte Eisermann, der sich – begleitet von Vinjes Klavierkompositionen – so komplett in die Gedanken und unerwiderten Gefühle von Goethes Werther hineinversetzte. Als Zuhörer wurde man so von der physischen und psychischen Anspannung des Romanhelden mitgerissen.

André Eisermann, der nicht nur las, sondern mit mimischer Brillanz, trefflicher Gestik und sprachlicher Virtuosität Werthers Seelenleben sezierte und mit Inbrunst seinen Hoffnungen Raum gab, die letztlich im Freitod münden, war großes Schauspiel voll dramatischer Eloquenz und Dramatik. Goethes Sprache wurde zum Schauspiel, zum großen Welttheater, in dem Sehnsucht nach Liebe meist unerfüllt bleibt.

Goethes 1774 erschienen Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“, in dem ein junger Rechtspraktikant über seine unglückliche Liebesbeziehung zu Lotte berichtet, die bereits mit einem anderen Mann verlobt ist, geriet bei Eisermann zu einer mitreißenden Performance, mit der der Schauspieler auch gegen die „Verrohung der Sprache“ ankämpfen möchte. Das Publikum war von dem voller Begeisterung für seinen Beruf auftrumpfenden Schauspieler restlos überzeugt.

Die Leiden des jungen Werthers (ab 1787: Die Leiden des jungen Werther) lautet der ursprüngliche Titel des von Johann Wolfgang Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Suizid über seine unglückliche Liebesbeziehung zu der mit einem anderen Mann verlobten Lotte berichtet. Er wurde 1774 veröffentlicht.

(Fotos: Helmut Blecher)

 

 

Helmut Blecher