Überbordende Spielfreude

Überbordende Spielfreude

In Herborn sind „Gankino Circus“ aus dem fränkischen Dietenhofen immer wieder gern gesehene Gäste. Mit ihrer wilden Mischung aus Kabarett, Weltmusik und Pop hinterlassen sie heiß prickelnde Spuren in den Gehörwindungen ihrer Zuschauer. So auch am Freitagabend der Kulturscheune (KuSch), wo Maximilian Eder (Akkordeon), Simon Schorndanner (Klarinette, Saxofon), Johannes Sens (Schlagzeug) und Ralf Wieland (Gitarre) mit ihrem aktuellen Programm „Das Gegenteil von Rock ‘n‘ Roll“ rasante Melodien mit schrägem Humor auf die Bühne brachten.

Egal, ob sie dem anarchischen Wahnsinn des Alltags in der mittelfränkischen Provinz auf der Spur sind oder sich als Weltmänner gerieren, stets liegen bei „Gankino Circus“ Irrsinn und Idyll dicht beieinander. Munter plaudert das Quartett aus dem Nähkästchen und gewährt seinem Publikum überraschende Einblicke ins große Kleinkunst-Konzertkabarett. Das verschlafene Dorfidyll ihrer Jugend, in das sie sich vom Weltgeschehen zurückkatapultiert haben, wird zum Schauplatz einer furiosen Show der begnadeten Geschichtenerzähler.

Anschaulich schildern sie die entsprechenden Turbulenzen, wenn man daheim mit dem Gegenteil von Rock ’n’ Roll konfrontiert wird: „Dietenhofen, der schönste Ort der Welt, sofern man ihn nicht verlässt“, erklärt Ralf Wieland, der trotz der provinziellen Eigenheiten die Feierfreuden in Dietenhofen hervorhebt. So wird beim traditionellen Schaschlik-Essen mit Gewürzketchupsoße, das Bedürfnis der Franken nach Exotik befriedigt. Abgerockt wird dieses Ereignis mit einem scharfen „Schaschlik-Blues“.

Musikalisch unterlegt mit Polka-Pop, Klezmer, Balkan-Western und jeder Menge Rock ’n‘ Roll im Stil von Chuck Berry sowie hitverdächtigen Melodien in fränkischer Mundart lassen die vier bayrisches Liedgut in die internationale Musikkultur einfließen. Dabei erweist sich die ohne Netz und doppelten Boden agierende Formation als Meister frech-frivoler, aber auch traurig-melancholischen Klänge. Neben der im Mittelpunkt stehenden Musik der kauzigen Charakterköpfe ist es ihr schräger Humor, den sie mit einer gehörigen Portion provinziellem Wahnsinn präsentieren.

Mit unbändiger Spielfreude verausgabt sich das Quartett und bringt dabei nicht nur sich selbst, sondern auch das vor Begeisterung klatschende und tanzende Publikum mächtig auf Touren. In ihrer Zirkus-Show schicken die Akteure auf der Bühne ihre schrägen Texte mit gesanglicher und instrumentaler Wildheit auf die Reise.

„Gankino Circus“ hat sich bei der Namensgebung laut eigener Aussage bei einem alten bulgarischen Volkstanz im Elf-Achtel-Takt bedient. Das Quartett versteht sich aufs Feiern und liebt Gassen voller Kneipen. Bei ihm sitzt jeder Takt, trifft jeder Song voll auf die Zwölf.

Dank ihrer instrumentalen Brillanz verleiht die Band ihrem Global-Pop mehr als nur ein Hauch von Glamour. Mit Bass-Akkordeon, schmachtenden Saxofon- und Klarinettenklänge, einem Schlagzeuger, der sogar Altenheime rockt, und einem begnadeten Gitarristen hat die Band einfach alles, um für außergewöhnlich gute Unterhaltung zu sorgen.

(Fotos: JMS)

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher