70 Jahre und kein bisschen leise! Wilfried Schmickler gab sich zum ersten Mal überhaupt in der KuSch die Ehre – und wie! Zusammengekommen am Lagerfeuer des politischen Kabaretts bekamen die Besucher in der vollbesetzten KulturScheune, das, was sie sich erhofft hatten: Die Einordnung der Welt, ein wenig Trost und Wärme und die Bestätigung, nicht zu den ewig Gestrigen zu gehören, bloß weil man mit Insta oder TikTok nicht klarkommt.
Dabei hat sich der aus den „Mitternachtsspitzen“ bekannte Künstler inzwischen fast vom Grantler zum Melancholiker gewandelt. Es ist ihm besonders wichtig, dass man ihn gut verstehe. „Meine Sorgen und Nöte, meine Zweifel und Ängste. Es tut so gut, mal mit jemandem darüber zu reden.“
Aber natürlich übernimmt diesen Job den ganzen Abend nur einer: Schmickler. Wer sonst? Aber er macht sich Sorgen, dass er sein Publikum nicht enttäuscht. „Da haben Sie sich gedacht, jetzt gehe ich in die KulturScheune, da kommt dann der Weltenerklärer, der Seziermesserschärfer, der Charaktermasken-Runterreißer, der mit Witz und Grips all die Fragen beantwortet, auf die ich seit Ewigkeiten keine Antwort suche – oder finde.“
Natürlich findet er sie. Im ersten Teil des Abends beleuchtet er dabei vornehmlich die große Politik. Die Ursache des Scheiterns der Ampel, klar: „Christian Bambi Lindner aus Wermelskirchen.“ Der „Schrumpftitan im Größenwahn“ habe, so Schmickler, vor ein paar Jahren mal gesagt, es sei besser, gar nicht als schlecht zu regieren. „Dann hat er beides gemacht.“ Bei einer funktionierenden Ampel sei oben Rot, in der Mitte Gelb und unten Grün. „Doch wenn das Gelb in der Mitte fehlt, ist die ganze Straße blockiert. Und genau das hat die FDP gemacht. Blockieren.“
Schmickler verzweifelt an vielem und vielen: „Muss der Verkehrsminister immer die größte Knalltüte im Kabinett sein? Hat Anton „Kasernenhofreiter seinen Panzerführerschein bestanden?“ Überhaupt die Grünen: „Die haben in der Ampel mehr Kröten geschluckt, als sie jemals über die Straße getragen haben.“ Über die SPD – was soll er da noch sagen? Als familiär sozialisierter Sozialdemokrat kommt ihm beim Anblick von Scholz und Co. nur noch das kalte Grauen. Wie übrigens – als ehemaliger Katholik – auch in Sachen Religionsgemeinschaft: „Wenn ich sehe, wie die katholische Kirche von Kinderschändern zugrunde gerichtet wird, dann könnte ich Hostien kotzen!“
Klare Kante auch zum Thema AFD. Da kann er makaber („Es stinkt der See, die Luft ist sein – Björn Höcke muss ertrunken sein“), aber auch fundiert. Die Experten würden für den Erfolg zwei Gründe nennen: „Erstens die Angst, zweitens die Wut. Angst, aber wovor? Was soll denn in diesem Land in naher Zukunft Schreckliches passieren? Flächenbombardierungen? Hungersnöte? Ausrufung des Kalifats Deutschland? Das ist wie mit der Angst vor den dunklen Kellern. Da hilft nur eins. Lampen an! Und was sehen wir dann? Riesige Warenhäuser, bis zum Bersten gefüllt mit Lebensmitteln aller Art. Straßen, auf denen gewaltige Karossen ihren spottbilligen Treibstoff in den Äther blasen, ohne sich auch nur einen Meter zu bewegen. Und an jeder Straßenecke eine Apotheke mit rezeptfreien Mitteln gegen Wehwehchen jeder Art. Wovor sollen wir Angst haben? Kein Grund für Angst, nirgends.“
Und was ist mit der Wut? Hier läuft Schmickler zur Hochform auf. „Da gibt es Menschen, bei denen klingelt morgens der Wecker und schon haben die eine Scheiß-Wut. Auf den Scheiß-Wecker, die Scheiß-Etablierten, die Scheiß-Politiker und die Scheiß-Flüchtlinge. Und so geht das den ganzen Tag weiter. Die Bahn hat Verspätung, der Geldautomat ist kaputt, vorm Aldi hockt schon wieder dieser Penner und bettelt, die Stammkneipe hat Ruhetag, der Mülleimer quillt über, der Handyakku ist leer und die Ampelkoalitionäre wollten die Heizung, das Auto und die Kinderschokolade verbieten. Die Wut als Grundgefühl der verbitterten Kreatur, die abgehängt und aussortiert durch die feindliche Welt irrt. Immer auf der Suche nach jemandem, der schuld ist an dem ganzen Elend.“
Wilfried Schmicklers Appell: „Es gibt keine bessere Verfassung als eine demokratische Verfassung“ und die müsse geschützt werden.
Alter und Gesundheit waren dann eher die Themen in Teil zwei, stets garniert mit Couplets, eingestreuten Witzen und Kurzpredigten á la Schmickler. Weisheiten wie „In atmungsaktiver Funktionswäsche kann man nicht elegant aussehen“ oder „Lächerlich, wenn sich die Qualität der Sportausrüstung umgekehrt proportional zur Leistung verhält“ sowie „Medikamente sind das Gold von morgen“ und „Der Thermomix ist eines der wichtigsten Küchengeräte seit Erfindung des Feuers“ machten klar, dass der große Politkabarettist auch den Blick aufs Alltägliche beherrscht. Der unermüdliche, selbst ernannte Kämpfer für die „Verfreundlichung der Welt sowie Respekt, Vernunft und ein friedliches Miteinander“ sieht Gier, Neid und Hass als wirkliches „Trio infernale“ der Menschheit und schaut im von BAP-Gitarrist Klaus „Major“ Heuser eingespielten Schluss-Song in eine düstere Zukunft. „Ist die Gewalt bereit für eine neue Ewigkeit? Es hört einfach nicht auf…“

Gert Fabritius
Helmut Blecher
Gert Fabritius ist freier Fotograf und Mitglied unseres Vereins. Der Driedorfer hat seit einigen Jahren die Foto-Dokumentation all unserer Veranstaltungen in der Kulturscheune übernommen und in dieser Zeit mehrere zehntausend Fotos zusammengetragen.
Helmut Blecher ist freier Autor und Fotograf. Der Dillenburger berichtet seit Jahren über das kulturelle Geschehen vornehmlich an Lahn und Dill und hat bereits Auftrittskritiken für zahlreiche Künstler in der KuSch geschrieben.