Ungemein vergnüglich und zum Lachen schön

Ungemein vergnüglich und zum Lachen schön

Auf eine Reise in die eigene Verwirrung begibt sich Tobias Mann in seinem achten Bühnenprogramm „Real/Fake“. Er stellt sich zugleich der wichtigsten Frage der Zeit: Was ist echt, was ist falsch? „Die Künstliche Intelligenz ist das Schweizer Messer im sozialen Besteck“, verkündete er – und nahm seine Zuhörerschar in der ausverkauften Herborner „KulturScheune“ mit auf einen Parforceritt durch das aktuelle Zeitgeschehen.

Er beleuchtet unseren digitalen Alltag und die Frage, ob und wie wir echte von gefälschten Realitäten unterscheiden können. Fährt Robert Habeck Porsche und Christian Linder mit dem Bus? Spielen Wahrheiten überhaupt noch eine Rolle, wenn die Fake News doch viel interessanter sind?

In den gesamten vergangenen 20 Jahren ist nicht so viel passiert wie seit vorigem November, als Trump gewählt wurde und die Ampel zerbrach. Seither haben Fake News erst so richtig Fahrt aufgenommen. Für den Mainzer Kabarettisten ist das eine Steilvorlage, sich den grotesken und unterhaltsamen Zügen des Problems mit rasantem Tempo und unübertroffener Brillanz zu nähern.

Zweifellos bietet Tobias Man eine Show, die das Publikum über zwei Stunden lang in Atem hält. In Texten und Liedern widmet sich der Mann mit sonnigem Gemüt und ätzend bissigem Humor falschen Wahrheiten und wahren Fakes. Echt tiefschürfend sind seine Gedanken, getränkt von herrlicher Satire und Ironie, ohne dabei mit überfallartigem Blödsinn und „doll Gebabbel“ für jede Menge Lacher zu sorgen. An den preisgekrönten Kabarettisten und Musiker kommt man einfach nicht vorbei.

Mit spitzer Zunge geht er Alice Weidel an, die Hitler zum Sozialisten erklärt, weil er ja im Parteinamen stecke. Über die Ideen von Merz und Söder, die wohl ihre Reden von der Künstlichen Intelligenz (KI) schreiben lassen, lästert er ebenso knallhart wie über Julia Klöckner, die postete, dass man die AfD nicht braucht, weil man ja die CDU hat.

Im Kampf um Eitelkeiten und Befindlichkeiten unsere Politiker erklärt Tobias Mann Wirtschaftsminister Habeck zum Golden Retriever der Politik und Kanzler Scholz zum Betäubungsmittel der SPD – während ihm der Kamm schwillt und sein Adrenalinspiegel den Siedepunkt erreicht. Schließlich ist der Wahlkampf wie Höllenfeuer, in dem man mit viel Theaterdonner mal schnell das Migrationsproblem in den Griff bekommen will.

Die Leute wollen es real – und freunden sich dennoch mit den Fake News an. Über den Sinn des Lebens lässt sich Mann aus und bemüht die Philosophie, die längst unter die Räder gekommen ist. Stattdessen unterzieht am sich einer medialen Authentizität. Pathologisch nette Menschen gehen in eine Selbsthilfegruppe.

Viel zu nett ist auch der burschikose Spötter, der so gerne ein Arschloch wäre – denn das Unflätige gewinnt am Ende immer. Und was den gesunden Menschenverstand anbelangt: Der führt am Ende nur zu Unverstand. Stattdessen geben wir uns den Fleisch gewordenen Podcasts der KI hin, die uns mit einem Klick zeigt, wie die schöne neue Welt auszusehen hat. Auch, wenn es bei den Textbausteinen noch etwas hapert, wie bei der Generierung eines Gedichts über Herborn.

Tobias Mann war einfach großartig, ungemein vergnüglich und zum Lachen schön.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher