Puppen, Bauchsingen und beste Unterhaltung

Puppen, Bauchsingen und beste Unterhaltung

Es ist ein unglaublicher Kraftakt, den die preisgekrönte Bauchsängerin Murzarella, mit Wurzeln in Gelsenkirchen, aufbringt, um so fulminant und zugleich so elegant ihren Stimmbändern alles abverlangen zu können. Immerhin haucht sie sich und ihren Puppen ein musikalisches Leben ein, das vom hohen Opern-C bis zum kratzbürstigen Heavy Metal reicht. Bei ihrem mittlerweile dritten Auftritt in der Kulturscheune (Kusch) in Herborn präsentierte sie am Freitagabend einem begeisterten Publikum ihr neues Programm „Bauchgesänge … ab in die zweite Runde“.

Über zwei Stunden und etliche Zugaben mehr währte Murzarellas alias Sabine Murza „Music Puppet Comedy Show“, in der sie ihre musikalische Vielseitigkeit und Kostproben ihres herrlichen Ruhrpott-Witzes gab. Mit dem frechen, vorlauten Kakadu Dudu, der aus Wanne-Eickel stammenden, prolligen und komplett durchgeknallten Kanalratte Kalle, der stets nach großen Opern-Engagements strebenden Buchhalterin Frau Adelheid und der veganen Junglöwin Leonie, die gerne in die Fußstapfen ihrer berühmten Vorfahren treten möchte, hatte sie die passenden Figuren an ihrer Seite.

Dudu, der zwar bei „Voice Of Germany“ durchgefallen war, überzeugte in der Kusch hingegen mit seiner Version von Rex Gildos „Fiesta Mexicana“. Natürlich assistiert von Murzarella wurde der schließlich nur schräge Reime singende Vogel in einer Kiste ruhig gestellt, um Platz für Frau Adelheid, eine Dame im besten Alter, zu machen. Sie träumt davon träumt, in Barcelona einmal die Rolle der „Carmen“ singen zu können. Im schönsten Klassik-Timbre gab sie stimmgewaltig der berühmten „Carmen“-Arie „Habanera“ die Sporen und brachte damit den Saal zum Beben. Mit ihrer deutschen Version von Edith Piafs „Non, je ne regrette rien“ erreichten ihre Hitzewallungen schließlich den Siedepunkt.

„Wie macht sie das bloß, kommt ihre Stimme wirklich nicht vom Band?“, fragte sich das Publikum. Kanalratte Kalle („Ey, hömma“) weiß natürlich Bescheid, dass alle Stimmen aus’m Bauch von Murzarella kommen. Nichts geriet beim schnellen Wechsel der Gesänge durcheinander. So konnte Kalle mit seinem „Schnittchen“ auf eine romantische Reise durch die Welt der Musicals („Jesus Christ Superstar“) gehen oder sich in bester Headbanger-Manier als Sänger von AC/DC empfehlen.

Und dann war da noch die neue Praktikantin Leonie, die über eine gut geölte Stimme verfügt. Immerhin sind die Talente in ihrer Familie vielfältig. So befindet sich der Erfinder des Löwensenfs darunter, und ihr Vater war Gründer der Lions. Im Duett mit Murzarella gab sie den Klassiker „The Lion Sleeps Tonight“ zum Besten, während Kalle, der sonst Bühnentechniker bei Murzarella ist, sich mit „I Want It All“ furios in Szene setzte.

In der Kusch steppte der Bär, herrschte echte Partystimmung. Trotz des anstrengenden Auftritts genoss Murzarella ihr Gastspiel in Herborn sichtlich. Scheinbar mühelos gab die ausgebildete Musicaldarstellerin mit ihren Puppen ordentlich Gas. Alles war live – ohne Netz und doppelten Boden. Mit „Rock Me Baby All Night Long“ ließ sich Leonie vernehmen, und als sich Kalle zu guter Letzt auf den „Highway To Hell“ begab und mit „Jump“ zu vokalen Luftsprüngen ansetzte, kannte die Begeisterung des Publikums keine Grenzen mehr.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher