Wortsport für Fortgeschrittene

Wortsport für Fortgeschrittene

Immer wieder gerne kommt der Bonner Sprachpoet Philipp Scharrenberg nach Herborn. Jetzt trat der 48-Jährige in der „Kulturscheune“ („KuSch“) mit seinem Programm „Verwirren ist menschlich“ auf.

„In diesen verworrenen Zeiten überlisten und verwhatsappeln wir uns ständig selbst. Wir brauchen keinen Big Brother mehr, um uns zu überwachen – wir tun es freiwillig“, sagte der Kabarettist. Dabei zeigte er Wege auf, wie es einem gelingen kann, sich dem „Mindfuck“, der Verwirrung mit Methode, eigene Gedanken entgegenzustellen. Philipp Scharrenberg tat es mit Gedichten, Geschichten, Versen und viel Musik.

Für den Wortsportler, der im Jahr 2023 den Deutschen Kabarettpreis gewonnen hat, sind Kunst und Kultur die Bausteine, um Probleme zu lösen. „Lasst euch nicht von den einlullen, die nichts zu erzählen haben“, befand er und griff eine Unsitte der virtuellen Welt des Internets und der sozialen Medien auf.

Man bekomme durch subtiles Merchandising Lösungen für Probleme angeboten, von denen man zuvor nicht einmal wusste, dass sie existieren. „Warum sollte man also für veganes Wasser nicht etwas mehr bezahlen? Warum reicht nicht einfach eine grüne Easy-Taste, wie auf den alten Fahrkartenautomaten, um sich aus der Verwirrung mit Methode, den Fake-News am laufenden Band und den Problemen, die man vorher noch gar nicht hatte oder kannte, zu befreien?“

Die schöne neue Welt, in der wir eingelullt von in „George-OrWellness-Oasen zwischen Kleingeist und Big Data nach eigener Selbstverwirr(klich)ung streben“, war für den Des-Illusionisten Philipp Scharrenberg ein reiches Betätigungsfeld, um mit skurrilen Gedankengängen Wege aus der Selbsttäuschung aufzuzeigen. Mit dem frechen Lied „Wir haben es so gewollt“ versuchte der Kabarettist, die Hirnwindungen zu entwirren.

„Alles, was messbar ist, lässt sich manipulieren“, kritisierte er. Kurzerhand verlegte er die „verirrte Gesellschaft“, sowohl reale als auch die virtuelle, in den Makrokosmos der Insekten. In dem grandiosen Gedicht „Der Spinner aus dem Woo Wied Web“ traf er den Nerv der Kabarettfreunde in Herborn, die seiner Wortkunst frenetischen Applaus zollten. Und dann war da noch die politische Korrektheit: Zu den männlichen Bienen sage man nicht mehr Drohnen, sondern, dank ihrer Striche, farbdiverse Bieneriche, sagte er.

Natürlich gehöre seine Zuhörerschar zu den Guten. Doch auch hier gibt es für Scharrenberg Differenzen, zwischen dem wie wir uns sehen und wie wir sind. „Ist da in der Erziehung etwas schiefgelaufen?“, fragte er rhetorisch. „Früher hörten die Kinder Benjamin Blümchen, der ja nie etwas gelernt hat und doch jede Situation mit Bravour meisterte.“ Das sei heute nicht mehr vermittelbar. Und so erzählte Scharrenberg die nachdenkliche Geschichte von Lino Loser, von dem Jungen, der in seiner Kindheit immer der Verlierer war.

Am Ende empfahl Scharrenberg dem begeisterten „KuSch“-Publikum, sich für mehr Herz und Verstand einzusetzen.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher