Er ist immer noch da

Er ist immer noch da

Irgendwie ist der vor zehn Jahren gestorbene Dieter Hildebrandt immer noch da. Das konnte man am in der ausverkauften Kulturscheune in Herborn erleben, als der Schauspieler und Autor Walter Sittler Leben und Werk des wohl größten deutschen Kabarettisten Revue passieren ließ.

Pointenreich und angereichert mit eigenen Worten über den Zustand der Republik, die schon zu Hildebrandts Zeiten von Dummheit, Ignoranz und Geschichtsvergessenheit geplagt war, konnte sich der Schauspieler dem Beifall des Publikums sicher sein.

Von Heinrich Heine über Erich Kästner, den Dieter Hildebrandt bewunderte, verlieh Walter Sittler, der nach der Lesung mit Mariele Millowitsch erneut in der KuSch zu Gast war, den unbequemen Gedankenblitzen von Dieter Hildebrandt zeitlose Authentizität. Dass Hildebrandt viel Kritik von der falschen Seite einstecken musste, hinderte ihn nicht daran, Tacheles zu reden, insbesondere wenn es galt, gegen Totalitarismus und Unterdrückung anzureden. Der Courage des Widerständler zollte er Respekt und von sich selbst konnte er nach der Verleihung des Erich-Kästner-Preises sagen: „Ich kann wie Merkel viel Lob vertragen.“

Mit seiner Live-Lesungen unter dem Titel „Ich bin immer noch da“, hält Sittler nicht nur Hildebrandts Wirken wach, sondern füllt es mit eigenen Überlegungen auf, wie zum Chaos bei der Bahn, bei der es selbst Lokomotivführern schwerfällt noch einen Bahnhof zu finden.

Dieter Hildebrandt, der sich an Roland Pofalla, Alexander Dobrindt oder Horst Seehofer mit scharfer Zunge und spitzer Feder abarbeitete, verstand sich auch auf die Poesie, wie in Fall von Helmut Kohl, dem er Matthias Claudius Gedicht „Der Mond ist aufgegangen“ in den Mund legte. Hier, wie bei seiner vor Sarkasmus nur strotzenden Abschiedsrede von Herbert Wehner aus dem Bundestag, zeigte sich Walter Sittler als genialer Rezitator, der den Tonfall von Kohl und Wehner perfekt traf.

„Nehmen die Versuche uns zu verblöden zu?“, fragt Sittler, nur um festzustellen, dass Hildebrandt zu seiner Zeit über ein Höchstmaß an menschlicher Dummheit klagt. Sei es in den Medien und Formaten wie DSDS: „Deutschland sucht den grauen Star“. Und beim Umgang mit der NS-Vergangenheit und seiner Wiederkehr in den Köpfen vieler junger Menschen, wird man nachdenklich und betroffen, als Walter Sattler sich in die Rolle eines Brauchtumspflegers auf Hitlers Refugium auf dem Obersalzberg begibt.

Witz, Komik und Wahnsinn halten sich bei den hildebrandtschen Texten aus 60 Jahren die Waage. Mit dem Adel und der Kirche hatte es der Kabarettist und Autor im Besonderen, wusste er doch trefflich über Hochzeiten, Beerdigungen und das „Wir sind Papst“ zu spötteln, wie Sittler berichtete.

Über Hildebrandts Umgang mit den Sport konnte man in der KuSch auch einiges erfahren, wie die stundenlange Berichte über Skischieß-Wettkämpfe oder die Einführung des Schießsports bei Autorennen, dann wäre man dies blöde Sportart endlich los.

Es war ein lehrreicher, unterhaltsamer Abend mir Walter Sattler und seine wundervolle Hommage an den pessimistischen Satiriker, der sich mit Gewalt in den Optimismus stürzte.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher