Am Ende kommt immer alles anders

Am Ende kommt immer alles anders

Zum 16. Mal findet der Wettbewerb um den Herborner Schlumpeweck in der Kulturscheune (KuSch) statt. Zum Auftakt gaben der österreichische Kabarettist Stefan Waghubinger und der Liedermacher Lennart Schilgen ihre mit komischen Geschichten und abenteuerlichen Gedanken gespickte Visitenkarte ab. Dem Publikum war es recht, fühlte man sich doch von ihrem Hang zur Selbstironie bestens unterhalten.

Dass die Jury wie schon in den Jahren zuvor bemüht war, die Vielfalt der Kleinkunst zu repräsentieren, zeigte sich bei den ersten Schlumpeweck-Anwärtern, die sich in Aussage und Wirkung erheblich voneinander unterschieden.

Stefan Waghubinger ist dem Sinn des Lebens auf der Spur, und der fängt mit kleinen Dingen an. Im pointierten Umgang mit Worten fährt er scheinbar harmlose Geschichten mit einer Mischung aus österreichischer Nörgelei und deutscher Gründlichkeit auf. Dabei ist er zum Brüllen komisch, brilliert mit tiefschwarzem Humor und ist zugleich warmherzig, wenn er sich an seine Oma erinnert, die ihn mit religiösen Traktaten und Süßigkeiten versorgte: „Hätte sie für mich länger gelebt, wäre ich heute Pfarrer mit einer Diabeteserkrankung“, so Waghubinger, der stets weiß, was passiert, und doch kommt es für ihn weitgehend anders.

Geld verdienen bereitet ihm Spaß. Das damit einhergehenden Burnout nötigt ihn dazu, das Geld wieder für einen Therapeuten auszugeben. Der in großartiger Valentin-Manier agierende Geschichtenerzähler will stets das Richtige tun und stets Falsches lassen. Die großen Erwartungen, die seine Eltern an ihn stellten, brachten ihm kein Glück. Bei seiner Frau war er ein Möbelstück, das nicht passt, und von ihrem Vermögen hatte er nach der Scheidung auch nichts: „Sie behält ihr Vermögen und ich mein Unvermögen.“

Stefan Waghubingers Lebensstationen sind Ansammlungen kurioser Entgleisungen. Sein sehnlichster Kinderwunsch – ein Shirt, wie es Captain Kirk von Raumschiff Enterprise trägt – wurde ihm in Form eines von der Mutter gestrickten Pullovers erfüllt, der entsetzlich juckte und in dem er aussah wie die Biene Maja. Da konnte er nachfühlen, wie es dem Jesuskind in der strohgefüllten Krippe erging.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“, bekennt Waghubinger, der sich über die Konsistenz von Suppen, Joghurts und die Evolution an sich so seine Gedanken macht. „Der Mensch ist zufällig entstanden, was aber nicht unbedingt notwendig war“, erklärt der melancholische Grantler, der immer wieder aufs Neue mit köstlichem, spitzfindigem Witz das Publikum zum Lachen bringt. Zum Beispiel, als er stolz erklärt, dass er mit dem Fahrrad die Alpen in Richtung Italien überquert hat – allerdings auf dem Dachgepäckträger.

Waghubingers satirische Weltsicht steckt voller Überraschungen und mündet in der Erkenntnis: „Wenn die Natur mit uns leben will, muss sie uns schon fragen.“ Basta! Bei ihm durfte, ja musste man herzhaft lachen.

Mit Lennart Schilgen betrat ein Musiker die KuSch-Bühne, der vor sechs Jahren mit der Band „Tonträger“ bereits einen Schlumpeweck in Empfang nehmen konnte. Mit seinen Gedichten und Liedern, die er zu Gitarre und am Klavier anstimmt, geht er auf Schnäppchen-Jagd, durch die Abgründe der Liebe und anderer Begehrlichkeiten. In den Untiefen seiner Gedanken verstrickt und versteigt er sich schon mal, wenn er seine mit flotten Melodien auf den Weg gebrachte Bewältigung der zwischenmenschlichen Art präsentiert.

In seinem „Entschlossenheitslied“ fordert er seine Zuhörer auf, die Faust wider die Entschlossenheit zu erheben und im Gedicht „Hinter der Tür“, sinniert er über Sinn und Zweck von Türdichtungen. Mit coolem Swing tischt er all die Lügen auf, die umsonst waren, um seine Angebetete endlich dazu zu bringen ihn zu lieben. Lennart Schilgen ahmt auf der KuSch-Bühne stimm- und stilecht Reinhard May nach, trägt Gedichte frei nach Heinrich Heine vor, und bringt ein voller Leidenschaft und Begehren steckendes Autobahn-Märchen auf den Weg.

Irgendwas zwischen Liebe und Tod, zwischen Hedonismus und Nüchternheit durchzieht die Lieder des Berliner Liedermachers, der sich als Rock’n’Roller auf Luftsprünge versteht. Beim Publikum kam sein Auftritt gut an, und wer weiß, vielleicht kommt am Ende auch eine weitere Schlumpeweck-Trophäe bei ihm an.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher