Fränkisches Gesamtkunstwerk dreht auf

Fränkisches Gesamtkunstwerk dreht auf

„Verrückt nach Müller“: So heißt das neue Programm des fränkischen Entertainers und Komikers Michl Müller, das Heerscharen von Fans in die „KulturScheune“ (KuSch) nach Herborn lockte. Man kann seinen abgedrehten, geradezu tollkühnen Verrücktheiten einfach nicht widerstehen, die er – unterstützt von unverwechselbarer Mimik und Gestik – zum Besten gibt.

Michel Müller, der zu Beginn mit einem Anflug von Kabarett aufwartet, indem er das Politpersonal von Söder bis Habeck abwatscht, kommt schnell zum eigentlichen Kern seines Auftritts: der Bewältigung des alltäglichen Chaos – oder wie man Apfelmus in Riesentöpfen geliert.

Der Man aus Bad Kissingen beweist fast drei Stunden lang, dass er nicht nur ein sonniges Gemüt hat, sondern auch mit großem Bierernst und dem Schalk im Nacken über die scheinbar banalsten Dinge zu erzählen und zu singen weiß. Da ist ihm ein Liebeslied auf seine Feinripp-Unterhose („Du bist immer für mich da“) ebenso wenig zu billig wie die ausführliche Beschäftigung mit den Einsatzmöglichkeiten eines Thermomix.

MM, der sein Publikum voll im Griff hat, gründet mit einem Paar aus Haiger ein Volksmusikgespann und lässt alle anderen nach seiner Pfeife mitsingen. Es fühlt sich halt gut an, von Michl Müller bespaßt zu werden, wenn der als Franke dem Fleischkonsum nicht abschwört und sich über verschiedenes TV-Formate hermacht, wie „Bauer sucht Frau“. Seine Frage dazu: „Wo kriegt man all die Bauern her, die da mitmachen?“.

Michl Müller, der vermutet, dass seine Lieder, von den „Amigos“ gesungen, die Wiederkehr des Virus verhindern, macht auch einen Ausflug in seine Jugendzeit, als in jedem Haus ein Wellensittich mit dem Name Hansi nur Jod-S11-Körnchen pickte und man auf Cornetto-Eis scharf war, aber nur Wassereis bekam. Neidisch war man da auf die Kinder der Reichen, die an den edelsten Sorten schleckten. „Fiel einmal so ein Rest in den Dreck, hoben wir es auf und schleckten es notdürftig gesäubert auf. Wir wären ja sonst glatt verhungert.“

Einen großen Teil des Programms verwendet MM auf die Geschichte seines Hausbaus, den er in einer Never-Ending-Story ausbreitet. Was mit einer neuen Couch begann, gerät zum kompletten Umbau seines Hauses, an dem sich der exaltierte Architekt Rudi mit immer ausgefalleneren Ideen abarbeitet. MM singt dazu im Reggae-Rhythmus ein Lied auf seinen besten Freund, den Akkuschrauber. Wenn Rudi die Fassade mit Eternitplatten verkleidet, das Badezimmer mit Fließbeton verkleistert und sich fragt, an welche Stelle der Stöpsel der Badewanne eingesetzt werden soll, kommt selbst MM ins Grübeln.

Er regt sich auch auf über die geschmacklose Hochzeitsfeier von dem befreundeten Paar Yannick und Pia – wie über die Klamotte, die sie tragen: „Gegen ein grünen Jogginganzug in Übergröße ist selbst ein Dampfbügeleisen machtlos.“ Der fränkische Dampfplauderer kennt keine Grenzen – sei es beim fränkischen Espresso, der einem die Schuhe auszieht, oder beim Einbau von programmierbaren Lichtschaltern, die dann ja wohl keine Schalter mehr zum Ein- und Ausschalten brauchen.

Zu guter Letzt berichtet Michl Müller über seinen Sylt-Urlaub, bei dem er die „Brunzgewohnheiten“ von Frauen beobachtet, die knietief im Wasser stehen, während Männer zum Pieseln bis zum Hals ins Meer schreiten. Und zur Befindlichkeit der Männer, die in letzter Zeit immer weniger zu sagen haben, lässt er sich mit einem großen Schrei nach Liebe vernehmen.

Auch wenn mal manchmal nicht weiß, warum man über Michl Müllers Witze lacht, bleibt doch die Erkenntnis, dass man Michl Müller einfach mögen muss.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher