Wenn aus Herborn „Klein-Dublin“ wird

Wenn aus Herborn „Klein-Dublin“ wird

Knapp 30 Titel und 150 Minuten Netto-Spielzeit: Wenn es den Begriff „Spielfreude“ noch nicht gäbe – für den Auftritt von „Paddy goes to Holyhead“ in der KulturScheune Herborn hätte man ihn erfinden müssen.

Zweieinhalb Stunden lang stehen Frontmann Paddy Schmidt, (Teufels-)Geigerin Almut Ritter, Schlagwerker Günter Bozem und Ersatzbassist Jens Dörr, der für den erkrankten Uwe „Uhu“ Bender eingesprungen war, auf der KuSch-Bühne und machen unmissverständlich klar: Der Irish Folk lebt!

Im 36. Jahr ihrer Bandgeschichte sind Schmidt und Co. nach unglaublichen 17 Jahren Pause zum zweiten Mal in der Scheune zu Gast und machen dabei deutlich, dass die Rückbesinnung auf die musikalischen Wurzeln der Band die richtige war. Noch bis Ende der 1990er Jahre war „Folk-ROCK“ das Credo der „Paddies“, nun kommt die Band den Wurzeln akustischen keltischen Musik wieder nahe. Das klassische Schlagzeug ist nicht mehr, der E-Bass könnte in den Arrangements auch problemlos von einem Kontrabass ersetzt werden. Die Band wirkt geerdet, die Musik ist es auch.

Mit Geige, Gitarre, Harmonika und Tin Whistle verzaubert die Band ihre Konzertgäste und schickt sie mit ihren Liedern und Klängen auf eine Reise zu den grünen Hügeln und Mooren Irlands, zu den grauen Arbeitervorstädten Belfasts und in die lebendigen und überschäumenden Pubs Dublins. Oder zurück nach Herborn, der „Dirty Old Town“ wie Paddy Schmidt mit einem Augenzwinkern erklärt.

Der Mix aus erfolgreichen Eigenkompositionen und geliebten keltischen Folksongs prägt die Setlist. Und vor allem der zweite Teil hat es mit mehreren „Jigs“ und „Reels“ (schnellen Tanzstücken) in sich. Da hält es so manchen Besucher nicht mehr auf seinem Sitz. Mal melancholisch und tieftraurig (wie der Song über den Untergang der Titanic), mal lebenslustig und vor Freude sprühend sind die vielen Lieder (stolze 28), die die Vier an diesem Abend spielen. Balladen, nahezu a-capella vorgetragen, mischen sich mit Pub-Songs, bei den man nicht anders kann als mitzuklatschen.

Traditionelle Lieder und Themen („Red ist he rose“, das übrigens die Schotten als „Loch Lomond“ ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, oder „Ye Jacobites by name“, in dem es um Religionskonflikte im 18. Jahrhundert geht) sind ein wichtiger Teil des Programms. Dazu zählen auch Songperlen wie „Nothing to show for it all“ des unvergessenen Kieran Halpin, bei dem man sich sofort auf die grüne Insel träumen kann.

Und zwischen all dem funkeln sie besonders – die vielen Hits aus der Bandgeschichte der „Paddies“, die mit „Bound around“ ihren ersten großen kommerziellen Erfolg hatten. „Doolin Bay“, die Liebeserklärung an die Stadt am wilden Atlantik nahe den Cliffs of Moher oder „Here’s to he people“, zum Schunkeln einladender Titelsong des 1994 erschienenen, gleichnamigen Albums. Dazu „Far away“, das unfassbar energetische „Johnny went to war“, das den Irrsinn des Krieges beschreibt, oder der nicht minder kraftvolle „Great song of whiskey“, bei dem sich Paddy Schmidt und Almut Ritter ein wahnwitziges Tempoduell liefern.

Und als könne es nicht beseelter werden, endet der Abend mit drei ikonischen Zugaben. Das Cover von Ralph McTells „Streets of London“ und der Klassiker „Whiskey in the jar“ nehmen den ganzen Saal gesanglich in die Pflicht, was sich die begeisterten Zuhörer nicht zweimal sagen lassen. Am Ende dann, wie könnte es bei Konzerten von Paddy goes to Holyhead anders sein, steht „A last song“, das klassische Abschiedslied für ein Konzert, das als ein ganz besonders in knapp 20 Jahren KuSch in die Geschichte des Theaters eingehen wird.

 

 

Gert Fabritius