Dem Alltagswahnsinn auf der Spur

Dem Alltagswahnsinn auf der Spur

„In meinem Best-of-Programm zeige ich Euch meine absoluten Highlights aus über 25 Jahren im Land der Dichter und Klempner: Meine besten Texte, meine besten Geschichten und natürlich auch meine besten Reportagen. Ihr werdet sehen: Es gibt Dinge, die wird man nie verstehen“, sagt Alfons. Bei seinem ausverkauften Auftritt am Dienstagabend in der Kulturscheune, hatten seine Fans zumindest jede Menge Spaß an den herrlich verrückten Einfällen und Gedanken des Franzosen, den die Deutschen längst in ihr Herz geschlossen haben.

„Ihr müsst wissen, das mit mir und Deutschland, das war ursprünglich so geplant: Ich bleibe nur so lange, bis ich die Deutschen verstanden habe“, sagt ein gut gelaunter Alfons, der inzwischen sogar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt.

Der Plauderer, Geschichtenerzähler und Leutebefrager ist einfach ein netter, liebenswürdiger Mensch, der mit orangefarbener Trainingsjacke, Puschelmikrofon und „frongsösischen Accent“ unterwegs ist. Man hört ihm einfach gerne zu, wenn er mit naiver und leicht verschmitzt wirkender Mimik dem Zeitgeist und den verrückt gewordenen Zeiten auf den Zahn fühlt.

Alfons, der nach den Lockdowns froh ist, wieder auf der Bühne stehen zu können, genießt den Beifall des Publikums. Und endlich können sich die Frauen wieder ein Kind von ihm wünschen und Rollator-Fahrerinnen die Bühne stürmen. Über Politik und Politiker redet er nur beiläufig, wünscht sich von ihnen mehr Herz und Hirn und mehr Einsatz für den Frieden, statt noch immer mehr Krieg.

Als Kulturreporter ist er dem Alltagswahnsinn bei seinen berühmt-berüchtigten Befragungen auf der Spur. Die auf einer Videoleinwand eingespielten Befragungen, zeitigen kuriose Antworten zu Themen wie Schützenfeste oder Sexualität: „Was war das Schärfste, was Sie von Ihrer Frau bekommen haben? Chili con carne!“ Kurios und völlig durchgeknallt sind seine Reportagen über eine Schamanin, die Heilung durch Handauflegen verspricht, während ein Bahnsprecher in Form eines Workshops, älteren Bahnbenutzern die Funktion eines Fahrkartenautomaten erklärt und glorreich daran scheitert. Die lakonische Antwort eines Rentners lautet daraufhin: „Solange ich noch Auto fahren kann, fahre ich mit dem Auto.“

Anrührend sind Alfons Geschichten über Verlierer, wiedie des Radrennfahrers Raymond Poulidor, der vierzehnmal die Tour de France fuhr und nie etwas gewann. Dennoch wurde er in Frankreich zu einem Volkshelden. Ein britischer Filmemacher, der die Geldschneiderei der Zensurbehörde mit einem elfstündigen Film, der nur eine weiße Wand zeigt, ein Schnippchen schlägt, lässt das Herz von Alfons höherschlagen.

Die deutsch-französische Freundschaft und wie sie sich im gegenseitigen Verständnis zeigt, zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm von Alfons. So werden eng bemessene, gelb markierte Raucherzonen auf deutschen Bahnhöfen in Frankreich zu Bouleplätzen umfunktioniert, die umringt sind von rauchenden Franzosen. Und während der Franzose unter dem Arm sein Baguette trägt, trägt der Deutsche darunter seinen Achselschweiß.

Was Alfons immer wieder antreibt, ist die Suche nach dem wahren Wesen der Deutschen – ein immerwährendes Mysterium. In der KuSch wurde er zum Amüsement des Publikums fündig, das herzhaft über seine berühmt-berüchtigten Reportagen aus diesem Land der Dichter und Klempner, Kleingärtner und Hinterwäldler lachen konnte.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher