Das Jahr kann weg

Das Jahr kann weg

„Schluss jetzt! Weg mit diesem komischen Jahr“ – der Titel von Florian Schroeders brandneuem Jahresrückblick hat etwas Symbolhaftes. Zur insgesamt fünften Vorpremiere war er damit am Donnerstag auch in die Herborner „KulturScheune“ gekommen und musste dort aufgrund der aktuellen Corona-Regeln gleich zwei Shows an einem Abend spielen, um alle Zuschauer, die Karten gekauft hatten, in den Genuss seines kabarettistischen Rundumschlags kommen zu lassen.

Und die bedankten sich mit stehenden Ovationen beim Wahl-Berliner, der in seinem auf knapp neunzig Minuten verkürzten Programm nichts und niemanden verschonte. Dabei nahmen das große Thema „Pan-Demie“, wie es SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf der ersten Silbe betont, aber auch das Wahljahr mit seinen Konsequenzen breiten Raum ein.

Untermalt von Einspielern, ging er mit der politischen Kaste ins Gericht. Beim Blick auf die Ampel („Eine Neuauflage der sozialliberalen Koalition mit den Grünen als fünftem Rad am Wagen“) und deren Koalitionsvertrag („Die gelben Seiten“) war nicht nur Schroeder verwundert: „Eine Koalition, die das Kiffen legalisiert und noch nicht mal Jamaika heißt?“ Vielleicht liege es an Robert Habeck, dem „Richard David Precht der deutschen Politik. Keiner kann Belanglosigkeiten so schön in bedeutungsschwangere Worte kleiden wie er.“

Kein Wunder, wenn man in der eigenen Partei noch mit dem Duell eines „türkischen Schwaben mit einem fränkischen Salafisten“ (Cem Özdemir, Anton Hofreiter) fertig werden muss. Aber Schroeder weiß: Im Unterschied zur FDP mit Christian Lindner gilt bei den Grünen schon lange „Lieber falsch regieren, als gar nicht regieren.“

Und der Kabarettist und Parodist legt nach: Er sei ja bekennender Grünen-Wähler – „weiß, reich und mit schlechtem Gewissen“. Tempolimit gerne, aber nur tagsüber und nicht für Selbstständige.

Klar aber, dass es auch die Union in Schroeders Rückblick erwischte, speziell den unglückseligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet, den „Heinrich Lübke 2.0 der Gegenwart“. In der „Elefantenrunde“ nach der Bundestagswahl und danach habe er es geschafft, an einem Amt zu kleben, das er gar nicht hatte.

Zweites großes Thema war die Corona-Pandemie, die eines zu verhindern nicht geschafft hat: „Weihnachten, Karneval und der Black Friday – alle christlichen Feste können stattfinden.“ Im fröhlichen Narrentreiben gelte zudem die 4G-Regel: „Gesoffen, gekotzt, gebumst, gestorben.“ Ganz im Gegensatz zu den Ungeimpften. Da gebe es bei vielen einfach nur 0 G(ehirn).

An die Adresse der Impfgegner richtete Florian Schroeder durchaus ernste Worte. „Die Spaltung der Gesellschaft ist Blödsinn. Die Menschen schließen sich freiwillig selbst aus. Wer behauptet, die Spaltung der Gesellschaft verhindern zu wollen, treibt sie voran. Das ist die Paradoxie.“

Andere Themen des zu Ende gehenden Jahres streifte der Berliner im Schnelldurchgang. Den Ausfall von Facebook und WhatsApp im Oktober („Der schönste Tag des Jahres“), die Entlassung von „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt mitsamt falscher Krokodilstränen der Pseudo-Journalistenkollegen und die Weltgeschichte zwischen Belarus, dem Nahen Osten und der schwierigen Frage am Beispiel Afghanistans, wann denn Gut zu Böse und Freund zu Feind wird und wie man diese Widersprüche aushalten muss.

Am Ende dann trafen sich doch alle wieder bei Markus Lanz, dem „ADHS-Zappelphilipp-Moderator“, der laut Schroeder beim neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach Staatssekretär wird und Kollegin Anne Will als Pressesprecherin gleich mitbringt.

Und als dann dort auch noch Wolfgang Schäuble, Angela Merkel, Jogi Löw, Dieter Bohlen und Donald Trump (oder war es doch Jochen Busse?) ihre Sicht der Dinge erklärt hatten, da war endgültig klar, was man aber schon vorher hätte wissen können: Florian Schroeder ist als einer der profiliertesten Künstler dieses Landes auf deutschen Kleinkunst-Bühnen unterwegs.

 

 

 

Gert Fabritius

Jörg Michael Simmer