Die Erkenntnisse des Bernhard H.

Die Erkenntnisse des Bernhard H.
Das Stammpublikum der Herborner „KulturScheune“ weiß, was es an Bernhard Hoëcker hat. Am Donnerstagabend hat sich der Komiker dort mit seinem sechsten Soloprogramm „Morgen war gestern alles besser“ einmal mehr als blitzgescheiter Besserwisser gezeigt.Bei der ersten 2G-Veranstaltung in der „KuSch“ traf ein gut gelaunter Comedian auf nicht minder gut gelaunte Zuhörer. „Es darf gelacht werden“ – so lautete das Motto des Abends, und davon machten Hoëcker und sein Publikum reichlich Gebrauch.Unter Strom stehend, drehte Hoëcker von Beginn an mächtig auf, zunächst an die gute alte Zeit erinnernd, die für uns alle in der Rückschau immer in einem gnädigen Licht erscheint. Unterstützt von eingeblendeten Bild- und Textcollagen, befand der Bonner Tausendsassa im Eröffnungslied zur Melodie von „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“, dass früher einfach alles besser war, auch wenn es nur das Resultat einer geschönten Erinnerung ist.

„Es war schon eine geile Zeit, als Männer noch die Jobs ihrer Frauen kündigen konnten, es noch ein geteiltes Deutschland gab und Schwule einfach eingesperrt wurden“, befand Hoëcker voller beißender Ironie und fragte natürlich: „War das, was man erlebte, wirklich so toll?“

Übers finstere Mittelalter, wo man rothaarige Frauen gerne verbrannte, „weil ihre Haare so schön knisterten“, kam er auf die Gegenwart zu sprechen, die nachhaltig zu sein hat und dabei manche Tücken offenbart. Handy-Kameras sind die Werkzeuge, um die Dinge des Lebens in der Cloud abzulegen. Seien es Selfies in jeder Lebenslage oder der sezierende Blick auf Dillenburg, das schon bei der bloßen Erwähnung für Lacher sorgte.

Alles ist schön bunt, in 4K-Qualität festgehalten und sofort verfügbar – wie ein Bild von einem Pickel an Hoëckers Allerwertesten, das mit einem falschen Klick die große Runde macht und seine Mutter animiert, ihm eine wirksame Pickelcreme anzubieten.

Hoëckers Erinnerungskultur, die von der analogen Fotografie, die die schönsten Momente meistens in unscharfen Bildern festhielt, über Brettspiele und Modelleisenbahnen bis zur ersten unglücklichen Liebe reichte, wurde eifrig vom spontan mitgehenden Publikum mit eigenem Erlebten genährt. Man lachte über die eigene Schlagfertigkeit und bot so dem mit viel Wissen und Erkenntnis gewappneten „Key-Influencer“ aus der Riege des deutschen Comedy-Personals immer wieder Gelegenheit, die Gedanken der Leute auf seinem Geistesgrill brutzeln zu lassen.

Hoëcker, der mit dem Wandel der Sprache, die von Generation zu Generation einem ständigen Relaunch unterliegt, keine Probleme hat, belegte, dass die Fremdwortflut kein Merkmal unserer Zeit ist, sondern uns schon immer begleitet hat. So haben wir „Onkel“ und „Tante“ aus dem Französischen übernommen, was sich auch besser anhört als „Oheim“ und „Muhme“.

Der große Kleine redet sowieso, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Wenn er die Phasen der Ehe und ihre Hochzeitstage – von Baumwollene (1 Jahr) bis Goldene (50 Jahre) aufzählt, sitzt im ständig der Schalk im Nacken, den er auch noch gallig würzt: „Darf ich vorstellen? Das wird meine Frau. Darf ich vorstellen? Meine Frau. Können Sie sich mal davorstellen? Das ist meine Frau.“

Der Komiker, der in intensiver Interaktion mit dem Publikum die vielen Facetten des Zusammenlebens durchleuchtete, feierte am Ende mit einem musikalischen Medley – von Mozart bis Matthias Reim – die Liebe.

Und mit einem spontanen Dankeslied auf die Helfer aus den Reihen des Vereins „KulturScheune“ und das Publikum, das nicht unmaßgeblich den Verlauf des langen Abends mitbestimmte, verabschiedete sich Bernhard Hoëcker. Und er wird natürlich wieder nach Herborn kommen. Das ist mal klar.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher