Vorsicht Suchtgefahr!

Vorsicht Suchtgefahr!
Das Leergutlager eines Getränkehändlers mit Einweg-und Mehrwegflaschen aller Marken und Größen hätte kaum gefüllter sein können als die Bühne der Herborner „KulturScheune“ am Donnerstagabend. Aber zwischen all den Flaschen tummelten sich vier Berliner Jungs: „Möhre“, Fritz, Frank und „Endie“ – besser bekannt als das Quartett „GlasBlasSing“.Unter dem bezeichnenden Titel „Happy Hour“ ließen die vier all ihre mitgebrachten „Instrumente“ erklingen. Einige Konzertgäste kannten die Performance-Künstler bereits. Alle anderen ließen sich überraschen, und die Überraschung gelang so gut, dass der ständige Beifall ein deutliches Zeichen dafür war.

Schlagzeuger „Möhre“ (David Möhring), einer der wenigen Drummer, die ihr Equipment im Stehen traktieren, ist sicher auch der Einzige, dessen Trommeln aus alten PET-Flaschen bestehen. Dennoch oder gerade deshalb entlockte der Musiker ihnen einen Rhythmus, der ins Blut ging.

„GlasBlasSing“ – das ist Nachhaltigkeit pur und der frühere Bundesumweltminister und Einwegdosenpfand-Erfinder Jürgen Trittin hätte seine helle Freude daran gehabt. Bassist Frank Wegner hielt es hingegen eher mit einem ehemaligen Wasserspender aus dem gleichen Material, den er zu einer Bassgitarre umgebaut hatte. Dass auch leere Mehrweg-Bierflaschen sich durchaus zum Musizieren eignen, stellte Jan Fritz Lubert mehr als einmal unter Beweis. Der Spaßvogel der Formation blies, zischte und klopfte auf ihnen herum, dass einem schon beim Zusehen der Atem wegblieb.

Insider hatte schon vor dem Auftritt kolportiert, dass da einer mit einer tollen Stimme dabei sei. Der ließ mit seinem Können auch nicht lange auf sich warten: „Endie“ (Andreas Lubert) der Moderator und heimliche Frontmann der Gruppe, sang sich vor allem in die Herzen der weiblichen Konzertgäste. Mit seinen ganz eigenen, tiefsinnigen Texten, eine Schau für sich.

Für das Spiel auf seiner Ukulele – „dürfen wir uns denn damit noch Flaschenmusiker nennen? Ja, wir dürfen“ – , gab sich der Sänger selbst die Erlaubnis. Dann wurde es fast schon martialisch: Was „GlasBlasSing“ aus halben Bierkisten an Sound und Rhythmus rausholt, stellt zumindest musikalisch jeden Bierkutscher bei der Arbeit in den Schatten.

Vor der Pause bezauberte „Möhre“ das Publikum noch mit einem Super-Auftritt als „Flachmanninow“, indem er einer Aneinanderreihung von Flachmännern an einem Holzbrett rockige Töne entlockte.

Apropos Töne: Die Flaschen werden vor dem Konzert genauestens mit unterschiedlich viel Wasser gefüllt und gestimmt. Das konnte man sehr gut beobachten, als „Endie“ eine kleine Batterie Taschenfläschchen umstieß und diese dadurch entleerte. Sofort legte er mit Sprudelwasser nach und kontrollierte den Füllstand mit dem Mund.

Zur Belohnung gab es dann einen super Vortrag auf der Flaschen-E-Gitarre. Ob Beethovens „Ode an die Freude“ oder „Halleluja“ von Leonard Cohen: Die „GlasBlasSingers“ trafen voll ins Schwarze. Die Flaschen ploppten, was das Zeug hielt, und das Publikum in der Scheune raste.

Fritz, der es mit der richtigen Aussprache des Gastortes nicht so hatte, versuchte immer wieder, sein „Herbooorn“ in den Griff zu bekommen, und musste von den Zuhörern mehrere Male korrigiert werden. „Ihr seid auf dem guten Weg, ein richtig toller Ort zu werden – wenn ihr es mit eurer Klugscheißerei nicht vergeigt“, nörgelte er im Scherz und erntete begeistertes Gejohle. Fazit: Ein besonderes, sehr buntes und fröhliches Konzert, wie man es sicher nicht alle Tage erlebt. Vorsicht: große Suchtgefahr!

(Text: Siegfried Gerdau)

 

 

Gert Fabritius