Niemals geht man so ganz

Niemals geht man so ganz
Es war ein kleiner, feiner Abend, der die Besucher zurück zu den Anfängen des Jazz – und darüber hinaus – führte: Die „Heye’s Society“, bestehend aus sechs überwiegen nicht mehr ganz so junge Herren, gab sich am Freitagabend zum dritten Mal in der Herborner Kulturscheune (KuSch) die Ehre, um mit bekannten Dixieland- und Swing-Evergreens, das Wohlfühlbarometer ihrer Zuhörer in die Höhe zu treiben.
Um ans Ziel zu kommen, muss man zuweilen dorthin zurückkehren, wo alles seinen Anfang nahm. Es ist die Lust an der Improvisation und die Musik aus New Orleans und Chicago, was „Heye’s Society“-Gründer, Namensgeber, Bandleader und Drummer Heye Villechner antreibt. Mit seiner „Hot Jazz Band“ wollte er sich eigentlich schon vor einiger Zeit vom Konzertleben zurückziehen, verharrt jedoch wie ein einst Harald Juhnke in einer Abschiedstourneen-Dauerschleife. Es macht ihm und seinen „Heye’s Society“-Mitstreitern, Pianist Tino Rossmann, Klarinettist Achim Bohlender, Posaunist Erwin Gregg, Tubist Leopold Gmelch und Trompeter/Kornettist sowie Arrangeur und Komponist Toni Ketterle einfach noch zu viel Spaß: „Wir sind wieder da“, verkündete Heye, und das Publikum freute sich.
Mit Kid Orys „Sugar Food Stomp“, den nicht zuletzt Benny Goodman zum Klassiker machte, stiegen die sechs „Men in Black“ in ihr Set ein, das aus jeder Menge bekannter Titel wie „Cornet Chop Suey“ oder „Westend Blues“ von Louis Armstrong,, W.C. Handys „St. Louis Blues“, Duke Ellingtons „Creole Love Call“, der die Schönheit der kreolischen Frauen preist und der aus der Oper Tosca „entliehene“ Nummer „Avalon“ bestand.
Das von historischen Bildern und Dokumenten eingerahmte Konzert, war eine muntere, melodientrunkene Reise in die Hochzeit des Jazz und der amerikanischen Popmusikkultur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Benny Goodmans „Lady Be Good“, Bix Beiderbeckes berührender Titel „Davenport Blues“, und das vor allem in der Version der Beatles in Deutschland bekannt gewordene „Ain’t She Sweet“, das Heye Villechner, wie einst mit den Beatles auf der Bühne des Hamburger Starclubs, mit zackiger Stimme sang, boten dem Sextett die Gelegenheit, sich effektvoll mit solistischen Einlagen in Szene zu setzen.
Absolute Klassiker wie Scott Joplins Ragtime-Stück „The Entertainer“ durften ebenso wenig fehlen, wie „It’s A Wonderful World“, das Tino Rossmann im rauchzarten Louis-Armstrong-Dutkus anstimmte. Zwei Stunden feinster Musikgenuss vergingen in der KuSch wie im Flug. Ohne Zugabe ging es natürlich nicht. Der Auftritt endete schließlich mit dem „Tiger Rag“ und „When The Saint’s Go Marching In“. Ein weiteres Konzert in der KuSch von „Heye’s Society“ wurde vorsorglich schon einmal angekündigt. Die „Abschiedstournee“ von Heye Villechner dürfte demnach weitergehen.

 

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher