Die ganze Geschichte der Scheune

Die ganze Geschichte der Scheune

Am 26. November 1990 erblickt in der Alten Schmiede am Pertuisplatz der Verein Herborner Heimatspiele e. V. das Licht der Welt – eine Gruppierung, die seitdem das kulturelle Leben in und um Herborn maßgeblich prägt. In den 1990er-Jahren gewinnt der Verein immer mehr Zulauf und entwickelt sich zu einem Markenzeichen der Stadt. Aufgeführt werden in den Anfangsjahren vor allem Stücke des Heimatdichters Walter Schwahn sowie in der Vorweihnachtszeit Stücke für ein junges Publikum. Im Herbst werden Vortragsabende zu einer festen Institution.

Besonders beliebt bei den Theaterschaffenden sind Aufführungen unter freiem Himmel, etwa im Schlosshof oder auf dem Kornmarkt. Doch der jährliche Kampf um Aufführungs- und Probenräume kostet Zeit und Nerven. Und so macht sich der Vorstand zu Beginn des neuen Jahrtausends auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, die fortan nicht nur als Spielstätte, sondern auch als Austragungsort vereinsinterner Veranstaltungen und Lager für Kostüme und Requisiten dienen sollen.

Im Zuge der Suche wird man auf das alte Gutshofgelände in der Au aufmerksam, und hier vor allem auf den Heuschober und den ehemaligen Kuhstall. Nach einem ersten Treffen mit Eigentümer Bernd Müller und einem Ortstermin Anfang Oktober 2002 verlagert sich das Interesse jedoch auf die alte Scheune, die über einen Keller verfügt und damit ausreichend Platz bieten würde. Noch im selben Monat wird der weitreichende Beschluss gefasst, den Kauf der Immobilie ernsthaft ins Auge zu fassen. Mithilfe des Statikers Klaus Kuhlmann und des Architekten Hans-Günther Fuchs wird eine Machbarkeitsstudie erstellt, ein eigens einberufener Finanzausschuss kümmert sich um die Prüfung verschiedener Finanzierungsmöglichkeiten.

Im Dezember 2002 liegen schließlich konkretere Pläne vor. Im Rahmen der Weihnachtsfeier wird das Projekt dann erstmals den Mitgliedern vorgestellt, im Januar 2003 folgt eine Mitglieder-Ortsbegehung und Mitte Februar eine Informationsveranstaltung in Form einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Die Überzeugungsarbeit trägt Früchte, denn am 7. März 2003 sprechen sich die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung mit großer Mehrheit (37 Ja-Stimmen, vier Enthaltungen, eine Gegenstimme) für das Projekt aus.

Das erste Etappenziel ist geschafft und in den folgenden Wochen stoßen zahlreiche neue Mitglieder hinzu, die das Vorhaben unterstützen wollen. Doch eines steht fest: Der Verein braucht Geld! Dank ausgeklügelter Raumpläne inklusive der Anschaffung von Beleuchtungsequipment beläuft sich die Kostenkalkulation inzwischen auf stolze 450.000 Euro. Und so steht das Werben um Spenden und die Suche nach Sponsoren im Frühjahr 2003 im Zentrum der Bemühungen.

Am 13. Juni 2003 wird schließlich der Kaufvertrag unterzeichnet und in der Woche darauf ein Antrag auf Bezuschussung des Projektes bei der Investitionsbank Hessen (IBH) gestellt. Auf einer zweiten außerordentlichen Mitgliederversammlung geben die Mitglieder dann ihr endgültiges – diesmal einstimmiges – Votum zugunsten des Projektes ab.

Im Sommer dann überschlagen sich die Ereignisse: Wegen einer etwas missverständlichen Passage im Kaufvertrag steht der Zuschuss durch die IBH auf der Kippe. Zudem sieht sich der Verein aufgrund der Bewilligung des größten jemals an ein privates Projekt fließenden Zuschusses von 205.000 Euro durch das Amt für Regionalentwicklung in der Pflicht, das Projekt öffentlich ausschreiben zu müssen. Noch etwas zögerlich wird der erste Spatenstich auf Ende September terminiert und ein Eröffnungswochenende im August 2004 ins Auge gefasst. Und ganz nebenbei streckt der Konzert- und Theaterring die Fühler nach den Heimatspielern aus.

Am 21. Oktober 2003 erfolgt die Submission der öffentlichen Ausschreibung und am 31. Oktober dann die Grundsteinlegung – letztere jedoch nur symbolisch, denn an der Scheune tut sich weiterhin nichts. Es deuten sich Kommunikationsprobleme zwischen den Behörden an.

Während am 20. Dezember im Herborner Rathaus alle Behördenvertreter und sonstige mit dem Bau beschäftigte Menschen zu einem Krisengespräch versammelt werden, das einen klaren Zeitplan bis zum Baubeginn und endlich einheitliche Begrifflichkeiten zum Ergebnis haben soll, können sich die Theaterschaffenden kurz vor Weihnachten immerhin schon einmal über den Erwerb günstiger Lampen, Stühle, Tische etc. freuen. Es geht also langsam voran.

Im Januar 2004 gibt Wetzlar „grünes Licht“ für den Bau, was den Bescheid zwar sichert, aber immer noch keinen Baubeginn zur Folge hat. Dieser erfolgt dann endlich Mitte Februar. Im April ist die Bodenplatte des Kellers gegossen und die Wände stehen. Während man sich nun verstärkt mit der Ausstattung beschäftigt (etwa mit Gassenvorhängen), passen sich die Vereinsstrukturen dem Projekt an und der bisherige Projektkoordinator Helmut Rolfes wird zum Geschäftsführer.

Das ursprünglich für Ende Mai geplante Richtfest verzögert sich aufgrund einiger Probleme mit der Dachkonstruktion und wegen einer verzögerten Lieferung der riesigen Fachwerkbinder, die erst am 6. August endlich ihren Bestimmungsort in der Au erreichen. Zwei Tage später ist das Dach dicht, der Estrich jedoch nicht, sodass der Plan, bis zur Eröffnung die Fliesen gelegt zu haben, aufgegeben werden muss.

Die folgenden Wochen sind geprägt von der Erstellung von Wochenplänen, die dann auch gleich wieder verworfen werden, der Koordination der Gewerke, Hiobsbotschaften diverser Handwerker, Aufregung über die Kanalanschlüsse und darüber hinaus von vielen Nebenkriegsschauplätzen, die bei einem solchen Mammutprojekt zu meistern sind. Geschäftsführer und Bauleiter Helmut verbreitet dennoch unerschütterlichen Optimismus und bleibt (fast) immer ruhig und ausgeglichen. Und ganz nebenbei erleben am 20. August fast 1.000 Gäste eine gigantische Musical-Gala im Innenhof des Gutshofgeländes mit Blick auf die Scheunen-Baustelle im Hintergrund.

Neben bis zu 50 fleißigen Mitgliedern, die zu zahlreichen kurzfristig angesetzten Streich-Aktionen anrücken, darf sich der Verein zwei Wochen vor der Eröffnung sogar über internationale Unterstützung freuen: Insgesamt 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des internationalen Workcamps aus Japan, Finnland, Russland, Tschechien, Holland, Deutschland und Jordanien treffen ein und erweisen sich rasch als unentbehrlich. Dank ihrer Unterstützung werden alle Schalungsbretter fertig und nimmt der Keller Formen an.

Jeden Tag wuselt es nun um die Scheune, das Vordach nimmt allmählich Gestalt an, die Pflasterarbeiten schreiten voran, die Türen kommen, die Lampen hängen und funktionieren. Die Kücheneinrichtung wird leider nicht rechtzeitig geliefert, man muss sich zunächst mit einem Geschirrspüler begnügen. Auch beim Thema Technik lautet das Stichwort Minimalkonfiguration und zur Installation der Toilettenspülung müssen die tatkräftigen Mitglieder ein weiteres Mal selbst Hand anlegen.

Am Morgen des 24. September 2004, dem Tag der Eröffnung, wird in der Scheune immer noch unermüdlich gesaugt, gepinselt, gerührt und gespachtelt. Als um 19:00 Uhr die Gäste eintreffen, beginnen die ersten Mitglieder bereits, sich zu fragen, wie man das eigentlich alles geschafft hat. Und als um 19:30 Uhr die Feier beginnt und Vorsitzender Jörg Michael Simmer und Geschäftsführer Helmut Rolfes die letzten Jahre Revue passieren lassen, sind sich alle Anwesenden einig: Anstrengend war es, aber es hat sich gelohnt!

Ein riesen Dank gilt allen, die am Gelingen dieses wunderbaren Projektes beteiligt waren, allen voran den Unterstützern in den eigenen Reihen, die das Projekt angepackt, mitgetragen und die KulturScheune schließlich zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Darüber hinaus danken wir herzlich den Herren Roland Kurth (Elektro), Valentin Möller (Heizung, Sanitär), Klaus Kuhlmann (Statik) und vor allem Hans-Günter Fuchs (Architekt), die für die Planungen verantwortlich waren und uns durch günstige Konditionen und unermüdlichen Einsatz den Start in unserer eigenen Spielstätte ungemein erleichtert haben. Unser Dank geht weiter an alle beteiligten Firmen, die zur Fertigstellung des Gebäudes beigetragen haben, allen voran an die Firma Lauber und deren Chef, Herrn Bernd-Michael Müller sowie die beiden leitenden Mitarbeiter Herrn Hans-Werner Beck und Herrn Matthias Krause, die uns stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden und geholfen haben, Probleme zu lösen, die wir teilweise selbst geschaffen hatten. Und natürlich danken wir sehr den Damen und Herren im Stadtparlament sowie in den diversen Ausschüssen der Stadt Herborn für ihre Aufgeschlossenheit und großzügige Unterstützung von insgesamt 100.000 Euro sowie der Investitionsbank Hessen und vor allem dem Amt für Regionalentwicklung in Wetzlar für die gute Zusammenarbeit und einen Zuschuss in Höhe von 205.000 Euro aus Landes- und EU-Mitteln. Durch die Unterstützung vieler kleiner Spender und großen Sponsoren auf privater Seite bzw. aus der Wirtschaft kamen noch einmal über 100.000 Euro zusammen – auch dafür herzlichen Dank! Sowie selbstverständlich an die Kanzlei Accedis, namentlich Herrn Jörg-Michael Müller, für die Hilfe in rechtlichen Fragen, die die Zuschüsse betrafen, sowie für die kompetente Unterstützung in sämtlichen Vertragsfragen an die Kanzlei Wunderer und Hardt, namentlich Herrn Dirk Hardt.