Welche Bedeutung hat Bayern für den Rest der Welt? Mit dieser Frage und anderen Themen aus ihrer Heimat beschäftigt sich Kabarettistin Luise Kinseher in ihrem aktuellen Programm „Mamma Mia Bavaria“.
Luise Kinseher, nicht zuletzt als „Mama Bavaria“ vom Starkbieranstich und Politiker-„Derblecken“ am Münchener Nockherberg her bekannt, beschäftigt sich in ihrem neuen Kabarettprogramm „Mama Mia Bavaria“ mit der Frage, welche Bedeutung Bayern für die Welt hat und wie sich das bayerische Mantra „Mia san mia“ auf den Rest der Menschheit auswirkt. Bei ihrem Auftritt in der Herborner „KulturScheune“ klärte die Frau mit dem großen Herz die Zuhörer darüber auf, was in Bayern so anders ist als im Rest der Republik.
„Ich hab Euch alle lieb. Ihr seid gerade richtig bei Mama Bavaria“, lässt sich die in ihrer bayerischen Tracht bodenständig wirkende und dennoch mit schelmischer Chuzpe und zupackender Angriffslust daherkommende Niederbayerin vernehmen. Ihr Hirn, das in telepathischer Verbindung zu ihrem Herz steht, macht es ihr möglich, selbst die galligsten Bemerkung über ihre Heimat in einem gnädigen Licht erscheinen zu lassen.
Warum über ein Volk weinen, dass einen Landesvater hervorgebracht hat, der die Bedeutung Bayerns vom Weltraum aus betrachten möchte, wenn sich Luise Kinsehers Erkenntnisse als echte Schenkelklopfer erweisen? Touristisch gesehen, ist Bayern ein Hotspot. Auch der Rest von Deutschland fährt gerne hin, da muss man nicht ins Ausland reisen, und die Stecker passen auch.
Die Bewohner Bayerns seien dabei „nichts weiter als ein exorbitant kleiner Teil des parasitären Menschbefalls, unter dem die Erde seit Jahrtausenden leidet“, heißt es bei der Kinseherin. „Alles bleibt an der Mama Bavaria hängen“, die als stets wiedergeborene Wirtin weiß, wie der Bayer so tickt.
Wenn sie allerdings noch einmal auf die Welt kommt, möchte sie als Ministerpräsidentin wiedergeboren werden: „Frauen haben es in Bayern immer schwer. Es gab nie eine Königin, sieht man von Ludwig II. einmal ab. Sissi war zwar Kaiserin, aber nur von Österreich.“
Luise Kinseher gerät im Verlauf des Abends zusehends ins Philosophieren über Sinn und Verstand der Bayern und der Menschheit, der im Zuge der Digitalisierung zunehmend jegliche Bodenhaftung abhandenzukommen scheint. „Es hat sich so viel verändert“, konstatiert die Kabarettistin, die im Bayern einen Menschen sieht, der im Kern ein Kosmopolit ist. Das heißt für sie allerdings nicht, dass man den Begriff „Heimat“ negativ betrachten sollte, nur weil ein Bayer Heimatminister ist.
In Bayern werden Traditionen noch gepflegt. Sonntags gibt es Schweinsbraten mit Semmelknödeln, der mittlerweile allerdings gerne mit Ingwer versetzt wird. Für junge Leute gilt heute der Slogan: „Heimat to go“. Und was es mit der bayerischen Landschaft auf sich, erklärt Kinseher lapidar so: „Die Landschaft besteht aus hohen Bergen, sanften Hügeln und kaum einer flachen Stelle. So wie ich!“ Auch singenderweise steht „Mama Bavaria“ ihre Frau. Zur Melodie von „Funiculi Funiculà“ trällert sie wie eine Operndiva den Nonsens-Text „Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser“, und auch als Jodlerin ist sie ganz obenauf.
„Wer in sich selber wohnt, ist überall daheim“, sagt sie. „Doch alle wollen raus, gehen ins Hotel. Ab 600 Euro die Nacht ist die Welt überall bewohnt. Und zum Frühstück gibt es Rührei, weil es auf der ganzen Welt Hühner gibt. Warum? Weil sie einfach nicht davonfliegen können.“ Und so kommt sie über das Hendl auch zur Weißwurst, die sich als wundervoller Tofu-Ersatz eigne, wenn man denn kein Vegetarier sei.
Als dauerbeschwipstes Alter Ego „Famous Mary from Bavary“ bekennt Luise Kinseher, dass der Mensch nicht mehr weiß, wo er eigentlich hingehört: „Roboter werden die Menschheit verändern. Ein Roboter schaut genauso aus wie ein echter Mensch, aber er benimmt sich anständig im Theater.“ Doch bis es so weit ist, erfreut sich der Tourist an den Schuhplattlern und isst in einer Tour im Wirtshaus.
Auch wenn in Bayern die Wirtshäuser allmählich aussterben und bayerische Landsleute orientierungslos im Einkaufszentrum von Krefeld aufgegriffen werden, warten die Bajuwaren auf die Wiedergeburt ihres „Kinis“, der zuletzt in einer Boutique in Münchens Maximilianstraße residierte.
Luise Kinseher war in der Kusch ein virtuos auftrumpfende „Mama Bavaria“, der zuzuhören einfach jede Menge Erkenntnis und noch mehr Spaß bereitete.
Gert Fabritius
Helmut Blecher
Gert Fabritius ist freier Fotograf und Mitglied unseres Vereins. Der Driedorfer hat seit einigen Jahren die Foto-Dokumentation all unserer Veranstaltungen in der Kulturscheune übernommen und in dieser Zeit mehrere zehntausend Fotos zusammengetragen.
Helmut Blecher ist freier Autor und Fotograf. Der Dillenburger berichtet seit Jahren über das kulturelle Geschehen vornehmlich an Lahn und Dill und hat bereits Auftrittskritiken für zahlreiche Künstler in der KuSch geschrieben.