Wenn die Franken mit den Finnen…

Wenn die Franken mit den Finnen…

Sie spielen Folk, Rock’n’Roll, Volksmusik, Klassik und rasend schnelle Polkas. Die Band „Gankino Circus“ aus dem fränkischen Dietenhofen lässt sich nicht in eine der üblichen Schubladen stecken – und dies ist auch nicht nötig. Das Quartett irrlichtert mit eigenwilligen Kompositionen durch die ganze Welt der Musik, von Bulgarien ( der Bandname „Gankino“ bezeichnet einen wilden bulgarischen Volkstanz) bis hin zur Musik, die noch tiefer im Osten Europas verwurzelt ist.

Und ihre Show, die sie jetzt in der Herborner KulturScheune zeigten, ist „Circus“ im wahrsten Sinn des Wortes. Dort präsentierten Gitarrist Ralf Wieland, Klarinettist Simon Schorndanner, Maximilian Eder am Akkordeon und Schlagzeuger Johannes Sens ihr aktuelles Programm „Bei den Finnen“.

Angeregt durch einen Reise-Film, der sich wie ein Running Gag durch das Programm zog, machte sich die Band mit dem Tourbus auf den Weg zu den Nordlichtern, von denen hierzulande vor allem die Leningrad Cowboys mit ihren „Einhorn“-Frisuren und spitz zulaufenden Schuhen bekannt geworden sind. Dabei leisten Gankino Circus ein Stück weit Bildungsarbeit in Sachen Finnland. Über den Roadtrip, der musikalisch streckenweise zur Höllenfahrt wurde, berichtete Gitarrist Wieland in der Rolle des gewitzten Erzählers.

Während Nebelschwaden über die Bühne zogen, beschwor er die schönsten Bilder des Landes herauf: Dichte Wälder, klare Seen und überall kleine rote Häuschen. Vor allem Maximilian Eder bot mit seinem mystischen Gesang und skurrilen Texten einen Einblick in die musikalische Seele der Finnen, die sich ansonsten wortkarg und unfreundlich gegenüber den Franken zeigten. Die Musik reichte von Polkas, Beat bis hin zu Anklängen an Jean Sibelius „Finlandia“, jede Komposition mit viel Dampf gespielt.

Dazwischen ein Stück aus der Sauna, gespielt und gesungen von Maximilian Eder, der auf der Suche nach dem finnischen Zen ganz in dem Refrain „Kuku Kuhu“ aufging. Gankino Circus mussten bei ihrer Reise aber auch Tiefschläge hinnehmen. Ein Schock ereilte die Band etwa, als sie in einer Kneipe Bier bestellten, „so teuer wie eine Doppelhaushälfte“.

Musikalisch wurden alle Register gezogen. Klarinettist Schorndanner erfüllte die KuSch mit seinem durchdringenden Spiel, das oft an die jüdische Klezmer-Musik erinnerte. Noch stärker war seine Rolle als Rock‘n’Roll Sänger, was auch die Finnen zur Sonnwendfeier mächtig beeindruckte. Ein Dreh- und Angelpunkt der Show war wie immer Schlagzeuger Johannes Sens. In der ersten Hälfte des Programms verausgabte er sich mit kleinem Equipment, bestehend aus Becken und Büchse sowie an einer senkrecht stehenden Boothälfte, die die Band beim Wettbewerb „Ameisenhaufensitzen“ gewonnen hatte. Darüber hinaus bot er in finnischer Anglerhose einen Schuhplattler.

Nach der Pause verschwand das Boot mit dem Zauberspruch „Hexi Gaxi“ und Sens schleppte ein Hi-Hat, eine Snare-Drum, ein zweites Becken und eine Bass-Drum herbei. Innerhalb kürzester Zeit war die Band auf höchster Betriebstemperatur, in der KulturScheune tobte das Publikum, klatschte und tanzte begeistert mit.

Gankino Circus gaben eine Kostprobe des fränkischen Rock’n’Rolls mit Chuck Berry-Einschlag, bei dem in Finnland alle durchgedreht hätten. Es gab ein kleines Sprachspiel, bei dem man ein Glas See-Dill-Gurken gewinnen konnte. Und nach dem Song „Hat sich der Wirt erhängt, weil er uns kein Bier mehr ausschenkt“, dem obligatorischen Sens‘schen Schlagzeugsolo sowie einer mitreißenden Polka war nach mehr als zweieinhalb Stunden Schluss.

Wäre es nach dem Publikum gegangen, hätten die Franken eine Nachtschicht einlegen können.

 

 

Gert Fabritius