Eindringliches Kammerspiel

Eindringliches Kammerspiel

Die Gerichtsverhandlung ist beendet, Beweisführung und Zeugenbefragungen sind abgeschlossen, die Schlussplädoyers gehalten. Nun liegt es an den zwölf Geschworenen, die sich in einem von der Außenwelt abgeschlossenen Raum zur Beratung zurückgezogen haben, ihr Urteil zu fällen: schuldig oder nicht schuldig?

Mit dem 1957 mit Henry Fonda verfilmten Gerichtsdrama „Die zwölf Geschworenen“ des amerikanischen Autors Reginald Rose, hat sich das Ensemble „Youngsters“ in der Herborner „KulturScheune“ ein Stück vorgenommen, in dem es um Leben und Tod eines Menschen geht. Unter der Regie von David Löll und Anna Julia Cunz entfachen die junge Darstellerriege mit ihrem intensiven Spiel bereits bei der Premiere am Freitag eine zum Zerreißen gespannte Atmosphäre.

Angenehm temperiert für das Publikum war die „KuSch“, während für zwölf Geschworen am heißesten Tag des Jahrs in New York eine schnelle Entscheidung um einen scheinbar eindeutigen Mordprozess ansteht. Einer von ihnen hegt jedoch Zweifel, ob der 17-Jährige Angeklagte aus einem Slumviertel, der im Streit seinen Vater mit einem extrem auffälligen Springmesser erstochen haben soll, tatsächlich der Täter ist. Er plädiert aufgrund zweifelhafter Zeugenaussagen für nicht schuldig.

Im Verlauf der Spielhandlung lernt das Theaterpublikum zwölf New Yorker Männer und Frauen völlig unterschiedlichen Charakters und Temperaments kennen, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, bestimmt worden zu sein, in diesem Mordprozess einen einstimmigen Schiedsspruch zu fällen. Im Verlauf der Diskussion über Schuld und Unschuld des Angeklagten, dem die Todesstrafe droht, werden die Diskussionen immer hitziger und aggressiver geführt. Dabei treten die eigenen Ängste der zwölf Geschworenen, ihre persönlichen Ideale immer mehr in den Vordergrund. Eingeschlossen im Konferenzraum entspinnt sich schließlich ein erbitterter und hitziger Kampf um Wahrheiten und Argumente, Lebenseinstellungen und Vorurteile.

Die Spannung steigt mit der zunehmenden Hitze im Sitzungsraum. Statt eines eindeutigen Schiedsspruches gewinnen die Zweifler in mehreren Abstimmungen die Oberhand, obwohl die Beweislast erdrückend ist. Die Indizien scheinen gegen den Jugendlichen zu sprechen, zwei Zeugenaussagen bestätigen seine Schuld. Doch allmählich lösen sich die inneren Blockaden der zwölf Geschworenen auf und man findet zu einem einstimmigen Schiedsspruch.

Getragen vom einer überzeugenden Ensembleleistung, überträgt sich das faszinierende Spiel der „Youngsters“ um menschliche Irritationen und Irrationalität auf die Zuschauerinnen und Zuschauer, die mit großer Anteilnahmen den schauspielerischen Fähigkeiten von Louis Peter, Elena Ziegler, Laura Dörr, Victoria Groos, Michael Dahlhaus, Elise Schnackenwinkel, Michael Perry, Nicolas Wogenstahl, Eric Thomas, Lisa Kring, Regina Marzen und Denise Wydra mit großem Schlussapplaus Tribut zollen.

„Die zwölf Geschworenen“ sind ein lohnenswertes Stück Theater, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Weitere Aufführungen stehen am Mittwoch, 12. Juli, Freitag, 14. Juli, und Samstag, 15. Juli, in der „KulturScheune“ dem Spielplan. Beginn ist jeweils um 20 Uhr.

(Fotos: Hemut Blecher + JMS)

 

 

Helmut Blecher