Bildungs-Burger und lustige Tierschau

Bildungs-Burger und lustige Tierschau
Die zweite Runde im Wettbewerb um den Herborner Kleinkunstpreis „Schlumpeweck“ ist am Mittwochabend mit Bauchredner Tim Becker und der sich um Kopf und Kragen quasselnden und singenden Alice Köfer in der „KulturScheune“ über die Bühne gegangen. Aus Berlin bzw. Darmstadt angereist, war ihnen der Weg in der Au nicht zu weit, um mit großem Elan, enormem Spielwitz und köstlichem Humor die Gunst des Publikums zu erlangen.
Gleich zu Beginn seiner Show mit erfrischenden und frechen Puppen zaubert Becker einen Donut aus einer Schachtel: Außen fettig und innen hohl wie „Donut“ Trump, muss der süße Teigling für schräge Späße und mimische Verrenkungen herhalten, um auszusehen wie Angela Merkel.
Die lustige Tierschau, die der in einer Zoohandlung sozialisierte Entertainer präsentiert, garniert er mit Sprüchen und Witzen, die genau so herrlich schräg sind wie seine Charaktere, die er durch perfektes Puppenspiel sowie einzigartige Geschichten zu wahrem Leben erweckt,
Da präsentiert der Komiker eine kiffende Eintagsfliege, die von einem Fortpflanzungs-Burnout geplagt wird – hat sie doch jede Stunde Geburtstag, und ihr ganzes Leben ist eine Party: „Meine Heirat war die schönste Minute meines Lebens“, berichtet sie.
Sympathie empfindet Tim Becker für eine Kanalratte mit Punkfrisur, die sich auch als cooler Musicalstar aus dem Klo vorstellt und als Klugscheißer mit Kultur-Tourette- Syndrom erweist. Schlecht gelaunt ist das Kaninchen, das der Bauchredner aus einem Zylinder zaubert, Dabei sehnt es sich in seiner Rolle als Versuchskaninchen nur nach Liebe: „Ich schwöre bei meiner Möhre, dass ich euch auf immer gehöre.“ Bei Tim Beckers Party, bei der er scheinbar die Kontrolle über seine Puppen verliert, fährt er zuletzt Mettgehacktes auf, das sich als rasch verzehrtes Lebensmittel missverstanden fühlt.
Nach so viel netten Schweinereien hat Alice Köfer, die Frau der Boygroup „Vocal Recall“, die 2015 einen „Schlumpeweck“ gewann, einen großen, ohne Atempause gestalteten Soloauftritt. Die charmant berlinernde Künstlerin gibt sich mal versehentlich philosophisch, mal lustig sinnentleert und ist dabei doch immer den wirklich wichtigen Fragen des Lebens auf der Spur.
In ihrer „Löffelliste“ – die To-do-Liste, bevor man den Löffel abgibt – parliert und singt sie am Klavier über Momente, die statt ineffizienten Scheiß‘ voll cooler Effizienz sind. Und es ist ihr Wunsch, mit Beifall vom Publikum aus der ersten Reihe beglückt zu werden, der ihr auch prompt erfüllt wird.
Alice Köfer, die nach eigenem Bekunden Isländisch rückwärts kann, sämtliche Autogramme der Prominenz gewinnbringend fälscht, hat’s drauf, sich im Burger-Restaurant über allerlei „Wut-Burger“ oder „Bildungs-Burger“ herzumachen oder über die Lust an der Gartenarbeit und totem Fallobst zu singen. Und mit einem besonderen Louis-de-Funès-Moment wickelt sie das Publikum am Ende komplett um den Finger. Ihre wilde Mischung aus destruktiver Liebeslyrik und Stadion-Pop im Garagenformat ist einfach unwiderstehlich gut.

 

 

Gert Fabritius

Helmut Blecher