Wundersame Weisheiten

Wundersame Weisheiten

Er ist gebürtiger Österreicher, gelernter Theologe und vor allem ist er ein Meister der absurden Gedankengänge: Stefan Waghubinger ist in der deutschen Kleinkunstszene einzigartig, und davon konnten sich jetzt erstmals auch die Besucher in der Herborner KuSch überzeugen.

Und sie merkten schnell, dass der Steyrer, der aktuell in Stuttgart und Zürich zuhause ist, den Wechsel von der Kanzel ins Kabarett nicht bereut hat. Ganz im Gegenteil!

Dort hat es Waghubinger, der auch als Cartoon- und Kinderbuchautor erfolgreich ist, seit 2010 zu zahlreichen Auszeichnungen gebracht. Unter anderem gab es für ihn 2019 auch den Hessischen Kabarettpreis.

Und warum? Weil seine Bühnenfigur mit hinreißender Unbekümmertheit drauflos plaudert, weil er skurrile Fragen stellt und mit den eigenen Antworten blindlings das Tiefschwarze der Pointe trifft und weil er eine herrlich gewagte Mischung aus subtilem Humor, österreichischem Akzent, schwäbischer Bescheidenheit und deutscher Gründlichkeit bietet.

Auf Zeitreise im Haus seiner Eltern sinniert der „frisch Getrennte“ auf dem Dachboden über das Große und Ganze, aber auch die kleinen Tücken des (Beziehungs-)Alltags. Es geht um elektrische Zahnbürsten, Urlaub in Italien oder die Sollbruchstellen in Beziehungen. Merke: „Ich mache lieber Gruppentherapie statt in Swingerclubs zu gehen, da muss ich die Probleme der Leute wenigstens nur hören.“ So funktioniert sie, die Waghubingersche Sprache, die garniert ist mir allerlei philosophischen, aber nicht minder treffenden Wahr- und Weisheiten. „Die Erkenntnis, dass etwas zu spät ist, kommt meistens nicht rechtzeitig“, lässt er die Zuschauer wissen und dass „Entscheidungsschwäche natürlich auch eine Entscheidung ist.“

Spricht’s und verliert sich in Schilderungen der Weihnachtsfeste im Hause Waghubinger, als ein alter Hamsterkäfig mal als Krippe diente und der kleine Stefan eine Captain-Kirk-Uniform bekommen sollte, die am Ende doch eher nach Biene Maja aussah.

Herrlich, absurd und immer wieder erkenntnisreich, denn „plötzlich hat man mehr Zukunft hinter dich als man jemals vor sich hatte.“
Flankiert von seinen imaginären Freunden Wolfgang, Dieter oder Egon, die natürlich alle nicht auftauchen, sitzt der Waghubinger da auf dem elterlichen Dachboden und kleistert die harten Wahrheiten des Lebens in einfache Sätze, denn er weiß, „als Bild sieht die Wirklichkeit meistens schöner aus.“ Und außerdem ist in unserer modernen Welt klar: „Jetzt ist halt zeitlich immer etwas ungünstig, gestern wäre besser gewesen.“

Die Widersprüche des Seins kann auch der Theologe nicht lösen („Der Chinese glaubt nicht an das Jesuskind, aber er stellt es als Krippenfigur her“), so dass nicht nur der Dachboden-Philosoph sich fragt: „Wo ist der Asteroid, wenn du ihn brauchst?“

Stefan Waghubinger weiß um die Besonderheiten des menschlichen Gemüts („Du gehst immer tiefer in ein fremdes Gewässer rein, und dann hast du plötzlich Angst ohne Grund“), doch er hat auch den erlösenden Rat für alle parat: „Wenn Ihnen die Wahrheit nackt begegnen sollte, kann ich Ihnen nur raten, träumen Sie weiter!“
Und so geht man irgendwie beseelt aus einem hochspannenden Theaterabend und weiß: Die Wahrheit tut vielleicht doch gar nicht so weh!

 

 

 

Gert Fabritius

Jörg Michael Simmer