Liebe, Leben und eine ganz große Portion Lust

Liebe, Leben und eine ganz große Portion Lust

Man kennt  Lars Reichow als den „Klaviator“, der sich im Verlauf seiner Karriere als Entertainer und Musikkabarettist eine große Fangemeinde erspielt hat. Und so war bei seiner Herborn-Premiere die KuSch prall gefüllt.

Reichow freute sich darüber, war des Lobes voll über Herborn und hatte sogar Lust darauf – natürlich nicht ganz ernst gemeint – seinen Wohnsitz in die Stadt an der Dill zu verlegen. Die Lust auf alles, was das Leben schöner, angenehmer, unterhaltsamer und spannender macht, fächerte er im Verlauf seines zweistündigen Programms „Lust“ mit musikalischem Esprit und munterem Wortwitz auf.

Die AfD und Donald Trump mussten draußen bleiben, wobei Reichow dem US-Präsidenten mit dem Lied „Donald you fired“ eine spezielle Abfuhr erteilte.

Die Mischung aus politischen Statements, die weniger von tiefschürfenden Analysen geprägt waren, sondern von der klaren Trennung zwischen Gut und Böse, clever und blöd, sowie sein Eintauchen in den familiären Alltag mit seinen kleinen Schwächen und Fallstricken, kamen bei den Zuhörern gut an.

Man ließ sich von den Lustbarkeiten des gerne mal im Mainzer Dialekt parlierenden Entertainers anstecken, der sich auch an seinen am Keyboard und Piano vorgetragenen Liedern prächtig ergötzte.

„Mir ist die Lust noch nicht vergangen“, sang Reichow mit klarer, wohlfeil klingender Stimme und verstieg sich auch zu einem Loblied auf die schönen Frauen in Mittelhessen, zwischen denen er sich gar nicht entscheiden konnte. Nach einigen wertvollen Tipps für Hundehalter, die zwischen Züchtungen wie „Border Online“ oder „Dackel To Go“ wählen konnten, wurde es wieder Zeit für Politik und die Erkenntnis, dass es mit FDP und CSU nichts wird, dass die Kanzlerin ein großes Licht in der Dunkelheit ist, dass auch der neuen Doppelspitze der SPD die Wähler davonlaufen, während die grüne Doppelspitze alles richtig macht und sich sogar für eine monarchische Regentschaft empfiehlt.

Lars Reichow legte ein klares Bekenntnis zu Europa und zur Demokratie ab und positionierte sich klar gegen Rassismus, Nationalismus und Verschwörungstheoretiker.

Richtig spaßig wurde es dann wieder, als er den Klassiker „Je t’aime“ mit kuriosen Wortschöpfungen neuen Sinn und Bedeutung verlieh. Offen sprach der Entertainer über die Lust von evangelischen Pfarrersfrauen und die neue Haltung der katholischen Kirche, der er in Kardinalsmontur karnevalistisch anmutende Ratschläge erteilte. „Wir sind die Fruchtfliegen im großen Obstsalat des Herrn.“

Der Erzählung einer mit Hindernissen gespickten Norwegenreise mit dem Wohnmobil, folgten Diesel-Skandal, das Brexit-Elend und der Abgesang auf den König der Lügner, Donald Trump. Da blieb dem Künstler schlussendlich nur, an die Einsicht der Menschen zu appellieren, dass die Lust auf Liebe, Lust auf Leben, Lust auf Politik, das richtige Rezept ist, um dem Wahnsinn um uns herum ein Lächeln abzutrotzen. Reichow war dramatisch, komisch, natürlich auch lustig.

Gert Fabritius

Helmut Blecher