Ein nahbarer Rockpoet mit klarer Kante

Ein nahbarer Rockpoet mit klarer Kante

Seit fast 40 Jahren gehört Heinz Rudolf Kunze zu den profiliertesten politischen Songschreibern des Landes. 36 Studioalben, 475 Lieder und 1700 literarische Texte kann der 63-Jährige auf seiner Habenseite verbuchen. Dass der Rockpoet, wie er von Freunden gepflegter Rock-Balladen genannt wird, auch ohne musikalische Begleitung zu überzeugen weiß, demonstrierte er in der restlos ausverkauften Kulturscheune, wo er seinen Fans, die aus nah und fern angereist waren, die ganze Bandbreite seines Könnens – auch als Solokünstler- rüberzubringen vermochte. Mit weniger Strom, nur bestückt mit rotem Schal, drei Akustikgitarren, Mundharmonika und Piano, lud HRK – aufs Wesentliche reduziert – „Wie der Name schon sagt“, seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu einer Reise in seine Welt ein. Stimm- und wortgewaltig, musikalisch versiert in allen Genres – von Rock bis Pop, von Folk bis Blues – parlierte, spielte und sang der Mann aus Osnabrück mit viel Fantasie gegen die Einfalt, Dummheit und Gier einer sich immer mehr polarisierenden Gesellschaft an. Sich nicht wegducken, so lautete seine Devise an diesem Abend. In den Liedern des Songschreibers, Sängers und Musikers Kunze bricht sich die Liebe stets hoffnungsfroh und manchmal auch hoffnungslos Bahn. „Gib mir die Chance deine Schulter zu sein“, singt er mit Inbrunst und Leidenschaft und verleiht ganz nebenbei seinen Worten ein Gefühl von Ewigkeit. In seinem Lied über die Freiheit, bekennt er ein starker Mann zu sein, der allerdings schwach in seiner Geduld ist. Kunze weiß, dass er die Welt nicht ändern kann, aber sich selbst, ohne sich dabei dem Zeitgeist, seinen Trends und Moden, bedingungslos zu unterwerfen. „Ich habe beschlossen Veganer zu werden, Ich bin ein Sympathisant des muslimischen Glaubens“, bekennt er, um sogleich die Retourkutsche einzulegen: „Ich kann auf vieles verzichten, aber nicht auf ein herzhaftes Leberwurstbrot zum Frühstück.“ HRKs feingeistige Geschichten, Anekdoten und Gedichte kommen beim Kusch-Publikum an, ebenso wie seine Songs, in denen er sich auch als Finderlohn anbietet, wenn es einer Frau gelingt, seine Fluchten zu stoppen. Überhaupt bekennt er ein Suchender, ein Forscher zu sein, dem es letztlich in seinen Liedern nur darum geht, die Richtige im Leben zu finden. Kunze ist ein Frauenversteher. Er liebt den Duft und die Träume der Frauen, die in Deutschland aber noch viel zu kurz kommen. „Als Frau kannst du in Deutschland nichts werden, bis auf Bundeskanzlerin, Partei-Doppelspitze und Helene Fischer.“ Ähnlich wie der US-amerikanische Rockmusiker Bruce Springsteen, den er mit zwei seiner Songs die Ehre erweist, hat es auch Kunze stets geschafft, trotz kontroverser politischer Statements über die weltanschaulichen Grenzen hinweg akzeptiert zu bleiben. Zumal er, anders als bei Herbert Grönemeyer, nicht leicht einzuordnen ist. Kunze hält nicht übermäßig viel von deutschem Betroffenheitsgehabe und moralischer Überlegenheit. Provinzialität ist ihm zutiefst zuwider, auch in der Musik, wo er eher mit Led Zeppelin, David Bowie oder Pink Floyd aufgewachsen ist, als mit irgendwelchen „Finstertaler Zipfellutschern“, Kunze grenzt sich von jeglicher Provinzialität ab und definierts ich als weltoffen. Er heißt alle Fremden willkommen, erwartet aber von ihnen, dass sie, wenn sie irgendwann nicht mehr Gäste seinen wollen, sondern zu uns gehören wollen, alle Spielregeln akzeptieren, die bei uns gelten. Moralpächtern oder Correctness-Instanzen mag das vielleicht nicht gefallen, doch Kunze geht unbeirrt „seine eigenen Wege“, so, wie er es schon in seinem gleichnamigen Song beschrieben hat. Zwar weiß, er, dass der „Alte Mann“ eigentlich ausgedient hat und auf dem Rückzug ist, wenngleich sein Glaubensbekenntnis immer noch lautet: „Auch am internationalen Frauentag macht sich das Abendessen nicht von allein. HRK hatte in der Kusch viel zu sagen und zu singen, auch seine Hits wie „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Finden Sie Mabel“. Standing Ovations folgten drei Zugaben. Erst nach fast drei Stunden vermochte man eher widerwillig voneinander lassen.

Gert Fabritius

Helmut Blecher